Drama am Rio Doce
Text: Gudrun Kaspareit
29.11.2015
Der Rio Doce ist, war, ein Fluss, der im Südosten Brasiliens in den Atlantik mündet. Von der Quelle in der Serra do Espinhaço im Bundesstaat Minas Gerais bis zur Mündung 100 km nördlich von Vitória im Bundesstaat Espírito Santo misst er 853 km
(Quelle: Wikipedia)
Rio Doce, das bedeutet „Süßer Fluss“ aber das ist er nun nicht mehr. Nun bringt er den Tod, nun ist er selber tot.
Schon am 5. November waren im Bundesstaat Minas Gerais in Brasilien, mehrere Dämme eines Rückhaltebeckens mit hochgiftigem Klärschlamm der Eisenerzmine Bento Rodrigues, (Betreiber Samarco) gebrochen, so dasß sich 60 Millionen Kubikmeter todbringender Schlamm über einen Bereich ergießen konnten, von der Größe Portugals. Die todbringende Schlammlawine, bestehend aus Eisenerzen, Arsen, Quecksilber und giftigen Chemikalien, wälzte sich in den Fluss Doce. Auf dem Weg dorthin hat sie das Dorf Bento Rodrigues von der Landkarte getilgt. Der Fluss ist komplett tot, dort lebt nichts mehr. Der Rio Doce hat seine giftige Fracht inzwischen in den Atlantik eingebracht, wo schlimmste ökologische Schäden für das empfindlichen Delta befürchtet werden. Strände wurden gesperrt. Am Fluss, auf einer Länge von 850 Kilometern und an dem Küstenabschnitt ist es mit der Landwirtschaft, der Fischerei und dem Tourismus vorbei. Die Menschen haben dort keine Lebensgrundlage und kein Trinkwasser mehr. 15 Millionen Menschen in 228 Städten sind von dem Desaster betroffen. Die Fischer bergen nur noch tote Fische. Das Leben ist zerstört. Fische, Vögel, Reptilien, Amphibien, Insekten, alle Wasserpflanzen, die den biologischen Kreislauf des Flusses bilden, sind vollkommen abgetötet.Nun hat sich der giftige Schlamm auch in den Atlantik ergossen und es wird ein Massensterben bei Seevogelbrutkolonien, Schildkröten und Fischen befürchtet. Auch Buckelwale und Thunfische, die sich gerne an diesem Küstenabschnitt aufhalten, sind gefährdet. Freiwillige sind hektisch bemüht, Schildkröten und ihre Gelege in Sicherheit zu bringen.
Die geborstenen Dämme sind nur drei von mehreren hundert. Jeder von ihnen kann die nächste potenzielle Katastrophe auslösen.
Derweil streiten sich die Verantwortlichen schon um die Höhe der Schadensersatzzahlungen, verharmlosen und schieben sich gegenseitig die Schuld zu. Offenbar war Pfusch am Bau der Rückhaltebecken Schuld. Wie immer ging es um Geld und Korruption.
Das Parlament hat einen Untersuchungsausschuss einberufen, allerdings ist alleine bei 13 der 18 Mitglieder des Unterhauses der Wahlkampf von der Bergbauindustrie finanziert worden. Diese Lobby möchte nun im Eilverfahren ein neues Bergbaugesetz durchdrücken, welches mehr Sicherheitsstandards suggeriert, in Wahrheit aber würde dieses Gesetz Bergbauaktivitäten auch in Naturschutzgebieten legal machen.
Die Gefahr, die von den Rückhaltebecken ausgeht, ist nicht neu, doch die Menschen vergessen und verdrängen zu schnell. 2000 passierte das schreckliche Rotschlamm Unglück in Ungarn, durch geborstene Mauern eines Rückhaltebeckens und 2014 ist aus einem Aufhaltebecken in Mexiko 40000 Kubikmeter Schwefelsäure ausgelaufen und hat verheerende Schäden angerichtet.
Als das Unglück der Exxon Valdez passierte, saß ich hilflos, schockiert, fassungslos und weinend vor dem Fernseher und habe das Desaster verfolgt. Ich dachte, das sei so schlimm, dass nun etwas
Entscheidendes geschehen müsste, damit keine Verbrechen an der Natur mehr zugelassen würden. Doch dann kam Deep Water Horizon, Fukushima, die Waldbrände in Indonesien, nun die Katastrophe am Rio
Doce. Gegen alle Widerstände wurde der Belo Monte Damm gebaut und am Nigerdelta ist immer noch die Hölle auf Erden. Nichts ist besser geworden, die Verbrechen passieren weiterhin, werden fast
alltäglich und finden kaum noch Resonanz in der Presse. Die Natur hat keine Lobby, die Menschen sind egal und austauschbar. Die Reichen ziehen halt woanders hin und wenn das Trinkwasser knapp
wird, gibt es ja noch Nestlé...... (natürlich nur für die, die es bezahlen können)
Eva Schmelzer (Dienstag, 01 Dezember 2015 18:53)
ich empfinde Trauer, Entsetzen und Wut und mir fehlen alle weiteren Worte. Ein sehr ergreifender, umfassender Bericht von Gudrun.
Ich habe von der Katastrophe erst vor wenigen Tagen erfahren und war erschüttert, einen hilflos weinenden Fischer inmitten des Desasters stehen zu sehen. Das Bild will mir nicht aus dem Kopf.