Der Kampf um den "Schönen Berg"
Text: Gudrun Kaspareit
14.10.2015
(So sieht der "Schöne Berg" heute aus)
Belo Monte, das heißt schöner Berg, doch das ist er nicht mehr, spätestens, seit die Bagger ihr Werk begonnen haben. Seit dem kämpfen Indigene und Umweltschützer verbissen um den „Schönen Berg“ und versuchen ihn zu schützen. Hier eine kleine und sicher unvollständige Chronologie dieses Kampfes.
Der Belo Monte Damm, im brasilianischen Bundesstaat Pará in der Nähe der Stadt Altamira, soll das drittgrößte Wasserkraftwerk der Welt werden. Mehr als 20.000 Menschen werden dabei vertrieben. Umweltzerstörung, Artenverlust, Menschenrechtsverletzungen sind Folgen des Projekts. Für den Stausee soll Regenwald auf einer Fläche von 400 km² geflutet werden.
01.06.2013
Wütend wurde der richterliche Räumungsbefehl von Indigenen zerrissen, die seit Wochen die Baustelle besetzten. „Wir gehen hier nicht weg, ehe wir angehört wurden!“ sagen die Vertreter der Munduruku, Kayabi, Xikrin, Arara, Juruna, Kayapó, Xipaya, Kuruaya, Asurini und Parakanã trotzig in der Anwesenheit von Behördenvertretern und Militäreinheiten. Der Indigenen-Rat Cimi schrieb in einem offenen Brief, die Regierung solle die Anwohner nicht wie Verbrecher behandeln: "Die Menschen, die an den Flüssen leben, wo ihr Staudämme bauen wollt, wollen Frieden. Uns werden Waffen an den Kopf gehalten, unsere Gebiete werden von Soldaten und Kriegsfahrzeugen belagert; die Fische werden vertrieben; die Körper unserer Vorfahren, die in unserer Erde begraben sind, werden gestohlen."
21.07.2013
Seit die Bauarbeiten zum Belo Monte Projekt begonnen haben, sind die Fangerträge der Fischer in der Region drastisch zurück gegangen. Deshalb haben 800 Fischer den Zugang zur Baustelle blockiert. Sie verlangen Entschädigungen für die erlittenen Verluste, ebenso wie die noch zu erwartenden Verluste. Schon im letzten Jahr hatten die Fischer sich auf der Baustelle zwei Monate lang eingerichtet. Doch Gespräche wurden ergebnislos abgebrochen, da die Betreiber unbeirrt behauptet haben, es werde keinerlei Einbußen beim Fischfang geben. Aber schon jetzt zeigt sich ein starker Rückgang des Fischreichtums.
Immer wieder haben Indigene die Baustelle besetzt, weil sie um ihre Existenz fürchten, zumal die Volta Grande, die große Flußschleife, im Zuge der Baumaßnahmen, um bis zu 80% weniger Wasser führen wird.
31.10.2013
Erneut werden die Bauarbeiten am Belo Monte Damm gestoppt. Der zuständige Richter des Bundesgerichtshof sieht die Umweltauflagen nicht erfüllt. Erst im August 2012 wurden die Arbeiten an dem Damm gestoppt, weil nach Ansicht des Gerichtshofes, die Rechte der indigenen Bevölkerung nicht gewahrt wurden. Doch schon nach wenigen Wochen wurde dieser Beschluss vom Vorsitzenden des oberen Gerichtshofes wieder aufgehoben. Eine letztinstanzliche Entscheidung steht noch aus. Nun wurden die Arbeiten erneut ausgesetzt. Diese Anordnung solle so lange gelten, bis alle, von der Umweltbehörde IBAMA 2011 geforderten 40 Auflagen zum Schutz von Mensch und Natur erfüllt seien.
27.07.2015
Das sozioökologische Institut ISA hat eine Studie veröffentlicht, nach der noch lange nicht alle Forderungen für die Inbetriebnahme des Belo Monte Damms eingehalten wurden.
50% der Auflagen zum Schutz der indigenen Bevölkerung sind bisher nicht erfüllt worden. Zudem sehen sich die Ureinwohner einem massiven Anstieg des illegalen Holzeinschlages gegenüber.
Die Belange der traditionellen Gemeinschaft der Rhibeineros, der Flussanwohner, wurden gar nicht Berücksichtigt, da es keine Analysen über ihre traditionelle Lebensweise gibt und daher auch keine Anerkennung ihrer Rechte. Wie ihr Leben in Zukunft aussehen soll ist noch völlig ungewiss.
Aber auch die Bevölkerung der Kleinstadt Altamira leidet durch ein unkontrolliertes Anwachsen wegen dem Zuzug von Bauarbeitern. Die Zahl der Verkehrsunfälle ist von 144% auf 213% angestiegen. Das Bildungsniveau ist,wegen gestiegener Bewerberzahlen und damit verbundenen überfüllten Klassen gesunken. Fast 60% der Kinder haben die Grundschule abgebrochen.
Die Kriminalität ist stark angestiegen; bei Mord und sexuellen Übergriffen auf über 80%.
Auch ist die Wasserversorgung der Stadt, so wie das Abwasserproblem noch nicht geregelt worden, denn die geplanten Klärwerke am Fluss sind noch nicht funktionstüchtig. So gelangen die Abwässer bisher ungeklärt in den Rio Xingu.
Bis dies alles erledigt sei, dürfe die staatliche Umweltbehörde IBAMA keine Betriebserlaubnis erteilen, heißt es in der Studie.
23.09.2015
Neueste Nachrichten besagen dass das Umweltinstitut IBAMA (Institut für Umwelt und erneuerbare natürliche Ressourcen) dem Belo Monte Damm die Betriebsgenehmigung verweigert hat, wegen Nichteinhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Maßnahmen zur Minderung von Auswirkungen des Projektes. Ohne diese Lizenz kann die Firma Norte Energia die Schleusen nicht schließen, um das Reservoir zu fluten, welches 400 km2 beträgt und auch einen Teil der Stadt Altamira überfluten würde. Laut IBAMA sind zu viele Auflagen verletzt worden. Diese Entscheidung will IBAMA als einen Schuss vor den Bug an all jene verstanden wissen, die ihre Finger nach anderen, zerstörerischen Staudamm Projekten ausstrecken. Durch den Bau des Belo Monte Damms sei ein schrecklicher Präzedenzfall geschaffen worden, mit einer langen Serie von nicht eingehaltener Auflagen. Volksrechte wurden getreten, Existenzen zerstört. Die IBAMA müsse nun standhaft zu ihrer Entscheidung stehen, erlittenes Unrecht kompensieren und Druck auf die brasilianische Regierung ausüben, um illegalen Holzeinschlag und Bergbau zu stoppen und die Rechte der Indigenen zu schützen, so der Direktor der „International Rivers Organisation“ Brent Millikan.
06.10.2015
Die IBAMA Präsidentin Marilene Ramos, bekräftigte, dass es noch in diesem Jahr eine Betriebserlaubnis für den Belo Monte Damm geben werde. Die seit Mai im Amt befindliche neue Präsidentin setzte sich damit über die gerade erst beschlossenen Weigerung ihrer Behörde, die Erlaubnis zu erteilen, hinweg. Sie ist für ihren laxen Umgang mit Umweltauflagen bekannt.
Den Belo Monte in Betrieb zu nehmen ist sehr umstritten, da es noch viele ungeklärte Fragen und ebenso viele nicht eingehaltene, vom Betreiberkonsortium „Norte Energia“ selbst anerkannte,
Auflagen gibt. Aber Marilene Ramos ist mit dem Anspruch angetreten, Ergebnisse zu erzielen und rief eine neue Managementstrategie ins Leben. Hilfsverträge, Ausnahmeregeln und vorläufige
Genehmigungen sind dabei ihre Schlagworte. Schon bei der Genehmigung des Stahlwerkes Thyssen Krupp in Rio de Janeiro hat sie bewiesen, dass sie auf der Seite der Wirtschaft steht, und ein
Verfahren durchsetzt, von dem sie selber sagt, Zitat: „Es ist nun erwiesen, dass es nicht kompatibel ist, so ein Werk so nahe an einer Wohngegend, die sich dort schon zuvor befand, zu
betreiben“
Ich fürchte, damit der „Schöne Berg“ wenigstens ein bischen schön bleibt, braucht er ein Wunder.
Eva Schmelzer (Sonntag, 01 November 2015 13:45)
Leider ist auch die Kirche machtlos, die ja in Brasilien doch noch einen nicht unbedeutenden Einfluss haben könnte. Ich habe vor kurzem von dem österreichischen Bischof Erwin Kräutler gehört, der seit 1982 in der Xingu-Region lebt und zu den prominentesten Kritikern des Belo-Monte-Staudamms gehört. Anfang April 2014 trug er seine Anliegen Papst Franziskus vor. Kräutler beklagte den mangelnden politischen Willen der brasilianischen Regierung, die Rechte den Indigenen bei der Verteidigung ihres Landes gegen Großgrundbesitzer und das Agrobusiness zu unterstützen. Aber bei allem guten Willen konnte auch Franziskus nur mahnen.
Immer noch bedauere ich die Wiederwahl von Dilma Roussef 2014, die ich als realtiv korrupt und berechnend einschätze. Dabei gab es eine Bilderbuch-Gegenkandidatin, Marina Silva, Umweltschützerin und Politikerin. Sie war Mitstreiterin des von Großgrundbesitzern ermordeten Regenwaldschützers Chico Mendes gewesen. 2008 hatte der Guardian sie zu den 50 Menschen gezählt, „die dabei helfen können, den Planeten zu retten“. Damals war sie Umweltministerin in Brasilien. Doch bald danach trat sie zurück, da sie ihre strategischen Umweltziele innerhalb der Regierung nicht genügend durchsetzen konnte. Hätte diese Frau die Wahlen gewinnen können, sähe es jetzt ganz, ganz anders aus…
Erika (Sonntag, 01 November 2015 10:11)
Wieviele Wunder sind je wahr geworden? Wer waehlte die neue Praesidentin? Sicherlich wurden die Indigenen nicht in Kenntnis gesetzt. Wie ist es moeglich, dass eine Studie anerkannter Fehlmassnahmen und versaeumter Menschenrechte von der Praesidentin einfach missachtet werden kann?
Die chronologische Liste hat die Dramatik eines kriminellen Romanes, nur leider sind es Fakten.
Eva Schmelzer (Samstag, 17 Oktober 2015 15:37)
Danke für diese chronologische Zusammenfassung. Zufällig hatte mich vor kurzem mal über den aktuellen Stand informieren wollen, bin aber nicht recht weitergekommen und habe aufgegeben.
Zur eigentlichen Tragik des Themas brauche ich wohl nichts zu sagen. Zu traurig, dass nun die Überschrift, die Du bisher gewählt hattest (Belo Monte - der Kampf geht weiter) umbenannt wurde.
Auch hier hat wohl mal wieder die Korruption gewonnen und das damit verbundene verdammte Geld. Die armen, armen leidtragenden Menschen, die zerstörte Natur...
Wenn auch der Kampf verloren scheint, die Hoffnung auf ein Wunder bleibt.