Das Sandproblem ist größer als gedacht
Text: Gudrun Kaspareit
Foto: Wikipedia
10.11.2021
Die Wohnungsnot ist in aller Munde. Weltweit lässt der Bauboom nicht nach. Zum Bauen braucht man Zement und um Zement herzustellen wird Sand benötigt. Doch langsam wird die Recssource Sand knapp. Tatsächlich ist das ein riesiges Problem, denn nicht jeder Sand ist geeignet. Wüstensand z.B. ist zu feinkörnig und kann Zement nicht stabilisieren. Die allgemeine Knappheit von Sand führt zu Raubbau und vielen mafiösen Strukturen.
China holtsich den Sand u.a. aus dem Viktoriasee in Uganda. Der Victoriasee ist der Größte Afrikas. Hier baggert China Unmengen Sand ab, obwohl das nach ugandischem Recht illegal ist. Trotzdem wird mit dicken Schläuchen, die bis auf den Grund des Sees reichen, Sand abgepumpt (und allem was dort an und im Sand lebt, also dem Beginn des biologischen Kreislaufes). Natürlich bleibt da die Gefahr für das Ökosystem nicht aus.
Häuser, Dämme und Straßen entstehen entstehen in rasantem Tempo. China hat in den vergangenen drei, vier Jahren so viel Sand und Kies für die Betonproduktion verbraucht, wie die Vereinigten Staaten in mehr als 100 Jahren. Das Land verbraucht etwa 55 bis 58 Prozent der weltweiten Sand- und Kiesproduktion.
Singapur ist ein Inselstaat. Er umfasst eine Hauptinsel, drei größere und 58 weitere kleinere Inseln. Er liegt an der Südspitze der Malaiischen Halbinsel, von dieser getrennt durch die Johorstraße. Die Inseln sind der südlichste Ausläufer der Hinterindischen Halbinsel und des asiatischen Festlandes. Zur Landgewinnung hat Singapur an seiner Küste Unmengen Sand aufgeschüttet. Allerdings verbraucht Singapur dafür keinen eigenen Sand , sondern bezieht ihn aus Malaysia, Thailand und Kambodscha.
Städte in Asien und Afrika wachsen und dementsprechend der Sandhunger ohne den die Baubranche nicht weiter machen kann.
Sand ist neben Wasser die zweithäufigste verbrauchte Recoursse. Sande und Kiese in ganz verschiedenen Qualitäten stecken in Beton und Ziegelsteinen, in Gläsern, Straßen, Dämmen. Sand verfüllt die Kabelschächte für das schnelle Internet, er ist in Lacken, Klebstoffen, Kosmetika, in Solaranlagen und Computerchips. Unsere Gesellschaft ist also wortwörtlich auf Sand gebaut.
Auch wenn Sand scheinbar reichlich vorhanden ist, ist er doch endlich. Er ist ein Produkt der Erosion. Wind und Regen zersetzen Felsgestein und schwemmen ihn in den Flüßen davon, bis ins Meer. So gibt es in Flüßen und Meeren auch den meisten Sand. Schätzungen zufolge baut die Menschheit jährlich doppelt so viel ab, wie alle Flüsse der Welt nachliefern können.
In Deutschland wird der Sand schon knapp. Sande und Kiese stammen aus den Ablagerungen, die Flüsse und Gletscher im Lauf von Hunderttausenden Jahren hinterlassen haben. Rund 2.000 Sand- und Kiesgruben gewinnen etwa 240 Millionen Tonnen Sand und Kies pro Jahr. Doch das reicht nicht, um den auch hierzulande durch die boomende Bauwirtschaft wachsenden Bedarf zu decken.
Dort wo Sand und Kies ist, ist auch Wasser. Wasser ist unser wichtigstes Gut. Da sind Wasserschutzgebiete, aber zusätzlich sind dazugekommen Landschaftsschutzgebiete, Naturschutzgebiete, europäische Schutzgebiete. Das klingt fast vorwurfsvoll. Fakt ist aber, an diese Vorkommen ist nicht mehr heranzukommen.
In Afrika gibt es auf dem Kontinent kaum Sand und Kieslagerstätten, außer an den Küsten und im Meer. Auch wenn salzhaltiger Sand qualitativ nicht so hochwertig ist. Doch weil diese Ressourcen durch den immensen Bedarf moderner Gesellschaften knapp werden, verlagert sich die Gewinnung generell zunehmend ins Meer und an die Küsten. Es muss klar sein, dass so ein gigantischer Abbau nicht ohne Folgen für die Natur bleibt.
Ganze Strände verschwinden. Durch Löcher im Meeresboden rutscht Land ab und verringert die Landmasse, des jeweils ausgebeuteten Landes. Da Malaysia und Kambodscha inzwischen ein Exportverbot erteilt hat, besorgt Singapur sich den Sand nun ungerührt in Australien.
Die Folgen des Sand Raubbaus können schwerwiegend sein, steht auch in einem kürzlich von der UN-Umweltorganisation UNEP veröffentlichten Bericht: Er schädigt die Ökosysteme von Küsten- und Flusslandschaften, Tiere und Pflanzen verlieren ihren Lebensraum, Menschen Nahrungsressourcen. Der Grundwasserspiegel kann sinken, Brunnen versiegen. Die Wahrscheinlichkeit von Dürren steigt, heißt es darin, Gebiete werden anfälliger für Überschwemmungen und Stürme, wenn Dünen und Strände abgebaut worden sind.
In Indien wird an mehr als 7000 Stellen illegal Sand abgebaut. Ganze Strände werden gestohlen. Die Indische Regierung hat kein großes Interesse daran, dies zu unterbinden. Der Bauboom ist lukrativer.
15 Prozent des globalen Sandabbaus läuft heutzutage illegal, mit gravierenden Folgen für die Natur. Es geht um ein Multimilliarden-Geschäft mit mafiösen Strukturen.
In Marokko ist bereits die Hälfte der Strände widerrechtlich abgetragen worden. Auf Jamaika stahlen Sanddiebe den Strand eines Fischerdorfs. Der Ton wird rauer und die Sandmafia schreckt vor Gewalt nicht zurück.
Auch der Kampf gegen den Klimawandel dürfte künftig viel Sand verschlingen, wenn immer größere Gebiete mit Dämmen vor dem steigenden Meeresspiegel geschützt werden müssen und vor den sich jetzt schon verändernden Stürmen.
Das Problem, sowohl das ökologische als auch das gesellschaftliche gerät aber zunehmend in den Fokus. So wird über vermehrtes Recycling von Beton nachgedacht. China hat inzwischen verboten Sand aus Flüssen zu gewinnen. Staaten verbessern ihre Richtlinien und kontrollieren illegalen Abbau genauer. Man hat erkannt, welche Probleme es für Umwelt und Mensch mit sich bringt. Zunehmend wird auch der Export von Sand untersagt.
(Quelle: Deutschlandfunk-Produktion)