Zu Besuch bei den Naturvölkern Malaysias
Malaysia Mai 2019.
Dieser Artikel entstand anlässlich einer Reise nach Malaysia im Mai 2019. „Rettet die Naturvölker e.V.“ kooperiert seit 2014 mit den Indigenen der Halbinsel Malakka, welche unter dem Begriff
„Orang Asli“ bekannt sind. Orang Asli bedeutet „ursprünglicher Mensch“. Ich habe auf meinen Reisen in verschiedenste Regionen dieser Erde noch nie so sanftmütige und gastfreundliche Menschen
kennen gelernt wie die Orang Asli. So entstand mein
Engagement für die Rechte dieser Menschen und die Mitarbeit bei RdN aufgrund einer Reise nach Malaysia vor 5 Jahren, während der ich mit der traurigen Realität dieser Menschen konfrontiert
wurde.
Die Orang Asli lassen sich in drei Hauptgruppen unterteilen, die Negritos, Senoi und Protomalaien. Ich konnte während dieser Reise sowohl Negritos, Senoi und Protomalaien treffen, da wir
mittlerweile für Communities fast jeder Ethnie der Orang Asli
Besiedlungskarten angefertigt haben. Das Abhalten von Mapping Workshops ist eine der wichtigsten Tätigkeiten RdNs in
Malaysia. Per Gesetz haben die Menschen Besitzanspruch auf ihr Land, wenn sie nachweisen können, dass sie dieses Land schon mindestens 150 Jahre besiedeln. Jef Yangman, selbst Orang Asli vom Volk
der Jahut, einer Subethnie der Senoi, ist in Malaysia Partner von RdN und führt Mapping Workshops in allen Teilen des
Landes durch. Hier lernen die Beteiligten, selbst die für die Kartenerstellung relevanten Daten zu erheben und die Karte gemeinsam anzufertigen. Das Wissen dazu vermittelt Jef in den Workshops
auf den Dörfern und leitet dann auch die Erhebung der Daten und die Erstellung der Karte. Durch dieses Vorgehen
identifizieren sich die Menschen wieder mit ihrem Land. Ich habe Jef kreuz und quer durch das Land begleitet und verschiedene Communities besucht, denen RdN die Kartenerstellung finanziert hat.
Die Batek.
Negritos sind die älteste noch existierende Bevölkerungsschicht Asiens. In Malaysia gibt es von ihnen die Völker der Batek, Sakai oder Semang, Lanoh, Maniq und Kensiu. Sie leben hauptsächlich in
den Bundesstaaten Kedah, Pahang und Perak. Es gibt noch ungefähr 3000 Menschen. RdN hat bereits 2016 den Batek von Kampung Dedari, welches am Fluß Sungai Tembeling am Rande des Nationalparks
Taman Negara liegt, geholfen, ihre Rechte durchzusetzen. Durch die Aktivitäten von Shafie Dris, ebenfalls Jahut, dem anderen Kooperationspartner von RdN in Malaysia, wurden Treffen mit
Regierungsvertretern abgehalten, die eine Verbesserung der Lage der Batek zur Folge hatten. Shafie ist Vorsitzender von JKOAP (Jaringan Kampung Orang Asli
Pahang), dem Netzwerk der Orang Asli im Bundesstaat Pahang. JKOAP kümmert sich um alle Anliegen und Problematiken der Orang Asli. Es ist immer wieder erstaunlich, wie wenig Geld manchmal
ausreicht, um gute Ergebnisse zu zeitigen, wenn diese Mittel direkt verwendet werden. Für Dedari hatte RdN lediglich 500
EUR an Shafie geschickt. Resultat war eine Trinkwasserversorgung für Dedari und die Errichtung sanitärer Anlagen. In das Dorf kommen regelmäßig Besucher des Nationalparks, leider ist
es uns bisher nicht gelungen, die Batek auch an den durch die Besucher generierten Einnahmen für den Nationalpark zu beteiligen. In Dedari stehen 10 Hütten und es wohnen dort ca 100 Menschen.
Zusammen mit Shafie bin ich dort gewesen und konnte mich von den Ergebnissen unserer Arbeit überzeugen.
Ein weiteres Dorf der Batek am Rande des Nationalparks ist Kampung Aur, welches ungefähr die gleiche Größe hat.
Innerhalb des Nationalparks gibt es laut Aussagen von Menderi, Headman von Kg Dedari, noch 5 bis sieben feste Camps, in denen ca. 600 Batek noch traditionell als Jäger und Sammler leben sollen.
Insgesamt beträgt die Anzahl der Batek in Malaysia ungefähr 2000.
Die meisten leben in tristen Siedlungen wie Dada Kering und Pecah Kelaubi. Hier vegetieren ca 150 Menschen ohne eigenes Land in 12 Häusern, die von der Regierung gebaut wurden. Da die Temperatur
in den Häusern zu hoch ist, um darin zu leben, haben die Batek zwischen den Häusern ihre traditionellen Unterkünfte gebaut und leben darin. Diese bestehen meist nur aus einem
Blätterdach auf einer Plattform. Sie erhalten pro Familie von der Regierung monatlich umgerechnet 80 EUR „Entschädigung“ für ihr Land. Davon müssen sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Die Batek
werden von der Regierung durch Geschenke und vermeintliche Vergünstigungen genötigt, zum Islam zu
konvertieren. Dadurch ist ihre Kultur noch mehr gefährdet., da sie islamische Namen annehmen, die Feiertage übernehmen sowie Religionsunterricht erhalten.
Ungefähr 20 Km von Dada Kering und Pecah Kelaubi entfernt in Richtung Kuala Lipis befindet sich im Regenwald die Siedlung Dusun Tiol. Hier leben ca 60 Batek auf traditionelle Weise. RdN hat ihnen
die Erstellung einer Besiedlungskarte finanziert. Jef hat gemeinsam mit den Batek diese Karte erstellt. Insgesamt
wurden hier mehr als 800 Hektar vermessen. Momentan hat diese Gemeinschaft zwar keine Landrechtsprobleme, aber mit dieser Karte sind sie vorbereitet, falls es zu Konflikten kommen sollte.
Erfreulich ist, dass die meisten Batek aus Dada Kering und Pecah Kelaubi nun nach Dusun Tiol gehen und dort ihre traditionelle
Lebensweise zumindest teilweise wieder aufnehmen werden.
Der Gesundheitszustand der in den von der Regierung errichteten Dörfer lebenden Batek ist zum Teil sehr schlecht. Durch Mangelernährung sind sie für verschiedene Krankheiten anfällig.
Auch Hautkrankheiten wie Ringwürmer und Pigmentstörungen sind bei ihnen häufig zu finden. Das ist bei der Frau rechts in der Abb. 3 recht gut zu erkennen.
So ereilte während meines Aufenthalts hier die Batek des Dorfes Kampung Koh im Bundesstaat Perak ein großes Unglück. Dort starben bisher 17 Menschen aus unbekannten Gründen, davon mehrere
Kleinkinder. Die Todesursache ist vermutlich Trinkwasserverschmutzung durch Palmölplantagen und Rohstoffabbau.
Seitens der offiziellen Stellen wurden Masern als Todesursache angegeben. Bestätigt ist das nur bei einem Verstorbenen. Mittlerweile wird der Vorfall totgeschwiegen. In der Region leben Temiar
und Batek zusammen. Seit Jahren finden dort immer wieder Blockaden statt, um Holzfällern den Zugang zu
verwehren. Aufgrund der starken Regenfälle waren die Straßen dorthin unpassierbar, so dass ich die Region nicht besuchen konnte. Später ist unser Partner Shafie Dris nach Kuala Koh gefahren und
den Fall dokumentiert und in die Presse gebracht. Leider ohne nennenswerten Erfolg.
Bei den Jakun von Rompin und Tasik Chini.
Die Jakun oder Orang Ulu zählen zu den Protomalayen, welche die Halbinsel Malakka seit ca. 2000 Jahren besiedeln. Hauptsächlich leben sie in den Bundesstaaten Johor und Pahang. In der Region
Rompin in Johor hat RdN zwei Siedlungen der Jakun die Erstellung von Grundbesitzkarten ermöglicht. Ich habe mit Jef die Dörfer Kg Jong und Kg Belebas besucht. In Kg Belebas wurden von Jef
mindestens 10 Mapping Workshops abgehalten. Das ist sehr aufwendig, da es von Jefs Heimatdorf Kg Sungai Mai knapp 3 Stunden Fahrt nach Rompin sind.
Kampung Belebas ist eine sehr trostlose und arme Siedlung. Die Hütten, in denen bis zu 15 Personen leben, sind aus Müll zusammen gebaut. Den Menschen dort wurden von der Palmölindustrie mehr als
800 Hektar gestohlen. Auch dort leben
ungefähr 150 Menschen, auf 11 Behausungen verteilt.
Wir hatten die Karte fertig gestellt und konnten sie den Menschen übergeben. Ich war sehr berührt, denn sie hatten Kräuter und Wurzeln auf dem Markt verkauft und wollten mir das Geld geben, um
sich an den Kosten des Mappings zu beteiligen…
Kampung Jong liegt eine halbe Stunde Fahrt entfernt von Belabas. Hier hat Jef bereits vor einem Jahr die Besiedlungskarte erstellt. Auch wurde hier von RdN eine kleine Wasserpumpe angeschafft,
durch die Grundwasser gefördert wird, um die kleinen Felder zu bewässern. Ich durfte hier zwei Tage zu Gast sein. Ich habe
selten in meinem Leben eine so angenehme Zeit gehabt wie bei den Jakun von Kg Jong. Wie überall auf der Reise habe ich in der Hängematte im Wald oder in den Hütten der Menschen übernachtet und
mit ihnen gegessen und getrunken.
Tasik Chini.
Der Tasik Chini ist ein See im Südosten der Halbinsel Malakka. Noch vor 10 Jahren war der Tasik Chini von Seerosen bedeckt und aufgrund seiner Schönheit ein heiliger Ort für die dort lebenden
Jakun. Inzwischen ist der See in weiten Teilen atrophiert, Seerosen sieht man nicht mehr. Das Wasser ist nur noch eine trübe Brühe. Ich wohnte zwei Tage bei Joey und seiner Familie im Dorf Tasik
Chini. Joey hat bereits 2011 das Siedlungsgebiet der Jakun am Tasik Chini kartiert, um dem Landraub etwas entgegen zu setzen. Leider ohne Erfolg. Nun sieht man gerodete
Gebiete bis an die Ufer. An den Ufern des Tasik Chini liegen noch zwei Siedlungen der Jakun. Wir sind haben beide mit dem Boot besucht, da die Siedlungen auf dem Landweg schwer zugänglich sind.
In jedem Dorf leben ca. 60 bis 80 Menschen unter ärmlichsten Bedingungen von ein paar Kautschukbäumen und
vom Sammeln von Altmetall. Auch hier habe ich Grundnahrungsmittel, Öl, Reis,Gemüse, auch Kaffee, Tee und Zucker mitgebracht, so wie ich es bei allen anderen Siedlungen, die ich während der Reise
besuchte, getan habe. Leider
war das Wetter sehr schlecht als wir auf dem See waren, wir sind bei Regen und starkem Wind unterwegs gewesen, daher gelang es mir nicht, gute Fotos zu machen.
Jahut.
Während der Reise habe ich immer wieder im Haus von Jef im Dorf Kg Sungai Mai übernachtet. Das Dorf liegt inmitten einer Ölpalmenplantage von 15000 Hektar. Das Land gehörte ursprünglich den Jahut
von Sungai Mai, wurde aber vom
staatlichen Konzern Felda bereits vor 30 Jahren den Jahut genommen. RdN hat in der Vergangenheit den Jahut von Sungai Mai bei den Gerichtskosten geholfen, der Prozess um eine Entschädigung läuft
noch. Während des Aufenthaltes bei Jef
kamen ständig Aktivisten zu Jef und haben ihn um Rat gefragt bei Problemen mit der Kartierung. Eines Abends kamen vier Temiar, einer anderen Ethnie der Senoi.
200 km sind sie von Kelantan mit Motorrädern gefahren und haben mit uns die Erstellung einer Besiedlungskarte besprochen. Der Bergregenwald der Temiar in Kelantan ist mittlerweile zu mehr als 50%
abgeholzt. Normalerweise übernachte ich immer bei Shafie in Kg Penderas, aber aufgrund des feuchten Klimas ist das
Haus stark renovierungsbedürftig und zur Zeit nicht bewohnbar. Shafie wohnt mit seiner Familie in einer kleinen Hütte auf seinem Land, während er sein Haus langsam wieder aufbaut.
Die Jahut sind eine Subethnie der Senoi und leben in Kuala Krau, einer Region im Bundesstaat Pahang, zwischen den Ortschaften Jerantut im Norden und Temerloh im Süden. Es gibt schätzungsweise
noch knapp 4000 Jahut. Sie verteilen sich auf
12 Siedlungen, von denen nur noch 2 im Regenwald liegen. Das sind die Siedlungen Kg Berdud und Kg Mendoi. Mendoi liegt inmitten eines wunderbaren Stück Regenwaldes, der nächstes Jahr für eine
Ölpalmenplantage abgeholzt wird.
Die anderen Siedlungen liegen entweder an einer Straße oder in
Palmölplantagen. RdN hat bereits 2015 die Kartierung des gesamten Gebietes der Jahut finanziert.
Ein trauriges Ereignis war der plötzliche Todesfall eines Freundes von Shafie und Aktivisten von JKOAP im Dorf Kg Paya Pelong. Wir sind nach Pelong gefahren und ich war bei den Feierlichkeiten
und dem Begräbnis dabei. Schon einmal, 2016, habe ich an einer solchen Zeremonie teilgenommen. Das ist ein Zeichen großen
Vertrauens, welches die Jahut mir entgegenbringen. Normalerweise nehmen nur Jahut an diesen Zeremonien teil.
Als wir in Pelong eintrafen, saßen im Haus des Verstorbenen Verwandte und Freunde beisammen, aßen und tranken und gedachten des Toten. Die Stimmung war irgendwie gelöst, für die Jahut gehört der
Tod wesentlich mehr zum Leben als hier in Deutschland. Am nächsten Tag wurde der Verstorbene auf einem kleinen Friedhof im Wald hinter der Siedlung beigesetzt. Es störte auch niemanden, dass ich
Fotos machte. So entstanden diese nicht alltäglichen Bilder. Die Jahut glauben das alles, was lebt, eine Seele hat und diese wiederum Teil einer großen Weltseele ist. Und sie glauben an die
Wiedergeburt. Beim Begräbnis wird genau darauf geachtet, dass keine Verunreinigung ins Grab kommt. Das
würde dem Verstorbenen in seinem nächsten Leben eine Krankheit oder ein körperliches Gebrechen bringen. Die Katze ist das Tier, das die Seele des Verstorbenen zurück zur großen Weltseele
geleitet, und von dort in sein nächstes Leben.
Ich war zum Ende meiner Reise noch zwei Tage in Kuala Lumpur. Dort traf ich mich mit Andy Hickson. Andy ist Professor für Anthropologie an der University Malaysia und auch Theaterregisseur.
Er hat als Jugendlicher einige Jahre bei den Temiar in Kelantan gelebt und setzt sich sehr für die Belange der Temiar ein. Zu den Temiar in Kelantan und Perak, deren Blockaden RdN immer wieder
finanziell unterstützt hat, bin ich aufgrund der schlechten Straßenverhältnisse leider nicht gekommen. Ich hoffe sehr bei
einer nächsten Reise einige Zeit dort verbringen zu können.
Hier gibt es weitere Informationen über die Arbeit der Menschenrechtsorganisation
"Rettet die Naturvölker e.V." (RdN)
Traumhafter Regenwald. Heimat der Naturmenschen und unzähliger Tiere. Er wird leichtfertig geopfert für fragwürdigen Konsum.
Marion Hartmann (Montag, 23 September 2019 14:12)
Wie immer macht auch dieser Beitrag über die Lage indigener Völker tieftraurig bis fassungslos.., Landgrabbing, Umsiedlungen, Verarmung. Zerstörung der Lebensräume bis hin zum Versuch der Missionierung.
Man hat den Eindruck, als handele es sich bei den indigenen Völkern um "unwertes Leben", das zu Gunsten des "wertvolleren" zu weichen hat, wo man keinerlei Gewissen zu haben braucht. Dies vor Ort zu erleben ist natürlich ganz etwas anderes, als nur darüber zu lesen.Lieber Arne, vielen Dank für diesen wichtigen Bericht, der hoffentlich viele Leser findet.