Der Leserbrief
Text: Torsten Jäger
02.12.2018
Angeblich wurden in China genetisch veränderte Zwillinge geboren, die
resistent gegen HIV sind. Einhellig werden solche „Menschenversuche“ nun zurecht verurteilt. Gegen Tierversuche in gleicher Richtung hat man jedoch offenbar nichts einzuwenden. Denn man ist sich
einig: Tieren fehlt die Intelligenz des Menschen, sie empfinden nur elementare Emotionen und besitzen kein Bewusstsein. Doch ist das eigentlich jene Intelligenz, von der hier die Rede ist, mit
der die Menschheit gierig und ähnlich einem Krebsgeschwür ihre eigenen Lebensgrundlagen (die Erde) fortdauernd wissentlich und willentlich zerstört? Ist es jenes emotionale Spektrum, mit dem die
Menschen ohne mit der Wimper zu zucken in der Lage sind, in Not geratene Artgenossen sehenden Auges im Meer ertrinken zu lassen, sie mit Senfgas-Granaten qualvoll zu ermorden? - Oder auch Tieren
unsägliches Leid zuzufügen, nur für ein billiges Stück Fleisch? Und ist es jenes Bewusstsein, mit dem viele von uns Tag für Tag durch Konsum und Verhalten die Missstände auf der Welt
unterstützen,
sich nicht ihrer Rolle bewusst werden (wollen) und gar neue Missstände schaffen? - Das beginnt schon im ganz Kleinen: Im Straßenverkehr auf sein Recht bestehen, den anderen ohne Not in die Enge
treiben, so einen Engpass verursachen – um am Ende nur selbst im Stau stehen. Bei Bienen käme das z.B. nicht vor! Ist das die Überlegenheit der Menschen gegenüber „dem Tier“? Ein Blick in
unsere Umwelt offenbart: Tiere besitzen weder die menschliche Intelligenz, das emotionale Spektrum, noch das Selbstbewusstsein des Menschen. Und sie verursachen zugleich weder Massenmorde,
produzieren keine Massenvernichtungswaffen, experimentieren nicht an Artgenossen oder vollführen gierig den Weltuntergang auf Raten. Der Spruch „Finde den Fehler“ erscheint mir hier angemessen.
Vielleicht wäre es sinnvoll, anstatt einer Gen-Schere, eine Gier-Schere anzuwenden, die jene zerstörerische Eigenschaft aus unseren Köpfen entfernen und für eine bessere Welt sorgen könnte. Wie
diese funktioniert, könnte ein Blick in die verwobenen Ökosysteme der Natur zeigen, wo alles komplex, intelligent und nachhaltig zusammenspielt. Doch dazu müsste man sich den „unterentwickelten
Tieren“ zuwenden, was man nicht tut, und was mir immer mehr offenbart: Die angebliche Krone der Schöpfung erscheint mir vielmehr ihr Gesäß.
Jürgen Engelmann (Sonntag, 30 Dezember 2018 03:40)
Eine mutige, emotionale Anklage gegen die eigene Spezies. Und das zu recht. Alles auf den Punkt gebracht. Ich hoffe auf Teil 2, in dem dann die Vorschläge zu lesen sein werden, wie es anders und besser zu machen ginge.
Ich habe ein Bild im Kopf. Das zeigt, wie ein paar Aufrechte einem sinkenden Ozeanriesen eine Schwimmweste anzulegen versuchen.
Das ist gegenwärtig mein Bild der Situation um die Rettung des Planeten. Das heißt, wir sind zu wenig Retter und eine Schwimmweste allein reicht nicht aus. Das heißt wiederum, wie werden wir mehr und welche Methoden sind die Richtigen.
Das Internet bietet Möglichkeiten, sich zu organisieren. Nehmen wir als Beispiel die Waldgruppe, der auch ich angehöre. Da werden Probleme angesprochen, Aufrufe gestartet, Petitionen veröffentlicht, Vorschläge gemacht usw. Das trifft aber zum größten Teil auf die Leute, die sich eh schon für den Schutz der Natur einsetzen, Übertrieben gesagt, ist das Eulen nach Athen tragen, sehr übertrieben. Da stellt sich die Frage, wie kommen wir denn an die heran, die mit der Natur gar nichts am Hut haben. Na klar, in dem wir, die Mitglieder es hinaustragen. Das sind Einzelhandlungen. Aber wie kommt man organisiert an die Masse heran. Und das ist in meinen Augen ein großes Problem. An anderer Stelle habe ich geschrieben: Die Letzten werden erst wach werden, wenn ihr Garten unter Wasser steht, der Sturm ihr Dach abgedeckt oder ein umstürzender Baum ihr Auto zerquetscht hat, wenn überhaupt.
Das Geschwür in vielen menschlichen Köpfen heißt Egoismus.
In der damaligen Sowjetunion wollte man nach dem 2. Weltkrieg nahtlos von Zarenreich zum Kommunismus übergehen. Jeder Bürger sollte kostenlos das bekommen, was er zum täglichen Leben braucht. Man hat angefangen, Brot kostenlos auszuteilen. Damit hat man aber ganz schnell wieder aufgehört, weil die Menschen das Brot an ihr Vieh verfüttert haben. Ich denke, heute wäre das nicht viel anders. Bevor das Bewusstsein, und damit sich jeder selbst nicht ändert, wird der Kampf gegen Windmühlenflügel weitergehen.
Ich habe keine Lösungsvorschläge. Und meine Bitte an Sie, Herr Jäger heißt weiter nichts, als dass Sie wahrscheinlich auch keine haben. Ich weiß es nicht.
Eva Schmelzer (Samstag, 15 Dezember 2018 13:06)
Großartig, Herr Jäger: Eine bravouröse, zu Recht wunderbar zynische Kritik an der selbst ernannten "Krone der Schöpfung", die alles beinhaltet.