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Unter dieser Rubrik möchte ich künftig Produkte vorstellen, die sich durch besondere Nachhaltigkeit auszeichnen.

Ressourcen schonen, die Natur entlasten, Chancengleichheit fördern, das alles kann die Menstruationstasse Ruby Cup

Ihr wollt endlich ernst machen mit dem nachhaltigen Lebensstiel? Kein Plastik mehr, keine Naturzerstörung? Dann gibt es hier neue Produkte, welche Ihr auf Eure Liste setzen könnt.

Tropical Freaks

Die Kaffee-TrinkerInnen entscheiden darüber, ob die 100.000 km² Kaffee-Anbaufläche ein naturnaher Lebensraum für Kolibris und viele andere Tiere ist -- oder Monokultur, die ohne Rücksicht auf die Umwelt billigen Kaffee produziert.

Kanwan

Ansichten eines "Ossis"

Text: Sören Benn

10. November 2015 soerenbenn

Liebe besorgte Bürgerinnen und Bürger,
wie viele von Euch bin ich männlich, mittleren Alters, Ostdeutscher, habe eine Familie und einen Kleingarten. Einen Hund haben wir auch.
Früher in der DDR fand ich Vieles schlecht genug, um mich in der Friedens- und Ökologiebewegung der evangelischen Kirche zu bewegen. So ganz schlecht fand ich die DDR aber dann doch nicht, ausserdem war ihr Ende lange nicht abzusehen, und so habe ich andererseits auch mitgemacht, z.B. in der FDJ.
Das Ende der DDR hat mich denn auch sehr traurig gemacht, gerade wegen der neu gewonnenen Freiheit. Freiheit und Sozialismus fand ich eine schöne Kombination. Die meisten von uns sahen das aber deutlich anders.
Ich kann mich noch ziemlich gut an die Nacht zur Währungsunion erinnern, an die Autokorsos und die Schlange vor der Deutschen Bank Filiale am Alexanderplatz in der großen Stadt Berlin, in die ich inzwischen gezogen war. An Menschen, die Geldscheine küssten, an Jubel und Alkohol. Ich habe mich damals ein bisschen (eigentlich ziemlich doll) geschämt für uns und dafür, dass wir uns unsere Revolte so billig haben abkaufen lassen. „Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr“. Das waren so Sprechchöre auf den Demonstrationen, als Demonstrieren nichts mehr kostete. Habt ihr auch noch die Fernsehbilder aus der Prager Botschaft und vom Treck der zu Fuß über die ungarische Grenze Flüchtenden vor Augen ? Ein bisschen gleichen sich die Bilder mit denen von der Balkanroute, findet ihr nicht ? Ok, die Klamotten und Frisuren waren schon schlimm Achtziger . Aber sonst.
Und dann kamen nach der schnellen Vereinigung die Neunziger und da war dann Vielen von uns nicht mehr nach Jubeln. Massenhaft schlossen Betriebe, Versicherungsfuzzis, Ottokataloge und Butterfahrten überschwemmten die ostdeutschen Provinzen. Die zweite, dritte und vierte Garde der westdeutschen Gesellschaft, also all jene, die drüben nichts geworden waren und die Buschzulage reizvoll fanden, kamen herüber und erklärten uns ihre Welt, die nun auch unsere werden sollte. So hatten wir das durch Wahlen zum Ausdruck gebracht.
Damals sind dann Sprüche entstanden wie: „Der Fuchs ist schlau und stellt sich dumm. Beim Wessi ist es andersrum“ und eben der Begriff des Besserwessis. Manche kennen sicherlich auch den in kyrillischen Schriftzeichen gesetzten deutschen Satz: „Венн Ду Дас Лезен Каннст Данн Бист Ду Кеин Думмер Весси“. Das war dann so unsere Art, unserem verletzten Stolz Ausdruck zu geben, unsere Faust in der Tasche zu ballen. Es war schon eine blöde Situation. Erst haben „wir“ dem Kohl zugejubelt und die Einheit geradezu herbeigenötigt, um dann festzustellen, wie bescheuert wir waren, zu glauben, Einheit, das sei Westdeutschland plus DDR. Aber da kamen wir nun nicht mehr raus. Und da wir die Schuld für unsere Lage nicht uns selbst geben wollten, begannen wir uns betrogen zu fühlen, empfanden uns als Menschen zweiter Klasse und irgendwie als Verlierer der Geschichte. Dabei hatten wir doch gerade noch das angeblich Größte, die Freiheit, gewonnen. Aber wenn Freiheit darin bestand, neidvoll und arbeitslos die Autos der Anderen zu bestaunen und zu Hause Furchen in den Teppich zu ziehen, dann machte uns das irgendwann doch ziemlich wütend. Schließlich wollten wir in unserer Würde und unseren Leistungen auch anerkannt werden. Daraus wurde aber nichts.
Einige von uns meinten dann, Asylbewerberheime anzuzünden, würde uns weiter bringen, mehr Aufmerksamkeit oder mehr Wohlstand. Sie hatten die ziemlich dumme Idee, wenn die „Fitschis“ und „Neger“ weg wären, würde schon alles gut, das Geld, das die bekamen, bekämen dann wir. Das Ergebnis war aber ein Anderes. Mal abgesehen von toten und traumatisierten Eingewanderten, wurden wir ein weiteres Mal stigmatisiert. Die Ostdeutschen wurden nun als hinterwälderische Dumpfbacken wahrgenommen, als Psychowracks des Kommunismus, die man im Kindergarten zu früh getopft hatte. Es machte sich die These breit, weil wir in unserem Sozialgehege DDR zu wenig Kontakt mit Ausländern gehabt hätten, würde wir nun mit denen fremdeln. Ja im Westen gab es auch brennende Unterkünfte. Aber dafür wurde nicht die Westsozialisation verantwortlich gemacht. Dort galt das schlicht als Verbrechen, bei uns als diktaturbedingte Deformation.
Warum schreibe ich Euch das alles ?
Ich kann den Frust verstehen, als Ossi nicht anerkannt worden zu sein, sich in seinen Hoffnungen betrogen zu fühlen, zu merken, dass das Leben zu kurz ist, um noch alle Hoffnungen wahr werden zu lassen. Ich kann verstehen, wenn manche spüren, dass sie nicht noch eine grundstürzende Änderung in ihrem Leben haben wollen, dass sie genug Veränderungen ertragen haben. Und wahrscheinlich haben alle recht, die annehmen, dass die Kosten, die die Integration der Geflüchteten zunächst einmal auf jeden Fall verursacht, sicher nicht von den oberen Zehntausend, sondern von den unteren 90 % bezahlt werden wird. Dass der berühmte Kleine Mann zur Kasse gebeten werden wird oder jedenfalls der Kuchen nicht größer, aber die Esser mehr werden. Und wenn man eh schon denkt, man käme irgendwie zu kurz, dann wird man eben schon mal wütend und will das auch artikulieren dürfen.
Es gibt aber auch ein paar Sachen, die verstehe ich nicht.
Zum Beispiel wird der Kuchen seit Jahrzehnten in Wirklichkeit jedes Jahr größer und ihr bekommt auch ohne Flüchtlinge nichts davon ab. Ist Euch das noch nie aufgefallen ? Als sie die Rente mit 67 eingeführt haben, die ja in Wahrheit eine riesige Rentenkürzung ist und Millionen von Armutsrentnern produziert, hat es keine Massenproteste gegeben. Habt ihr schon mal mitbekommen, daß die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, ganz ohne Flüchtlinge ?
Die meisten von uns sind Atheisten und trotzdem quatschen Pegida und AfD immer von den christlichen Werten des Abendlandes. Was meinen die damit und was meint Ihr damit ? Etwa den Satz von Jesus:“Was ihr den Geringsten meiner Brüder tut, das tut ihr mir.“? Doch wohl eher nicht.
Ich will nämlich nicht glauben, daß ihr einfach nur Rassisten seid, daß ihr tatsächlich glaubt, die deutsche Kultur stehe irgendwie über der syrischen oder arabischen oder muslimischen, wie immer ihr das auch nennt . Ich kann nicht glauben, daß ihr ernsthaft „Angst“ vor vergewaltigenden „Arabern“ habt.
Glaubt ihr wirklich, wir wären irgendwie wertvollere Menschen, wir hätten uns unseren Wohlstand durch harte Arbeit verdient ? Glaubt ihr wirklich, mit dem glücklichen Zufall der mitteleuropäischen Niederkunft und Hautfarbe unserer Mütter verbinde sich ein dauerhaftes Besitzstanderecht auf Boden und Ressourcenverbrauch, einschließlich Ressourcenkiregen und Putschen in rohhstoffreichen Ländern zur Ausschlachtung der Südhalbkugel ?
Glaubt ihr wirklich, Deutschland würde von Barbaren überrannt, die tausende von Kilometern zu Fuß zurücklegen, weil sie falsch (oder richtig) informiert sind über Hartz IV ? Glaubt ihr wirklich, die geben alles, was sie hatten auf, um hier als Sozialtouristen in einer fremden Kultur, abgeschnitten von ihrer Heimat in Bruchbuden ihr Dasein zu fristen ?
Würdet ihr, mal angenommen, Syrien hätte unser Sozialsystem, würdet ihr so mir nichts dir nichts, weil man dort eine Mindestsicherung bekommt, die man hier vielleicht nicht bekommt, Euch zu Fuß nach Syrien aufmachen ohne Not, tausende von Kilomentern unter Lebensgefahr ? Nein, natürlich nicht. Also kann ich nicht glauben, daß ihr glaubt, sie kämen vielleicht ja doch ohne Not.
Glaubt ihr wirklich, Frau Petry, Herr Höcke oder Herr Gauland, dem Seehofer oder de Maizière ginge es um Eurer Wohl oder um Deutschland ? Glaubt ihr wirklich, wenn ihr die stark macht, dass es für euch und eure Kinder dann besser läuft ?
Wenn ihr das glaubt, wenn ihr glaubt, dass es dann gerechter zugeht im Land, nur weil wir uns die Flüchtlinge vom Hals halten, daß es den Armen, den Alten, den Geringverdienern dann besser geht, dann benutzt doch bitte einfach Euren eigenen Kopf und überfliegt mal rasch die Geschichte eures eigenen Lebens und was die Politik euch zu unterschiedlichen Zeiten geboten hat.
Oder wisst ihr das schon alles, glaubt aber, daß die Flüchtlinge die die ganze Scheisse noch schlimmer machen und wollt deshalb, daß sie wegbleiben ? Weil ihr zwar wisst, daß die Welt ungerecht ist, Euch aber nicht traut, gegen die bekannten Ungerechtigkeiten vorzugehen und daher lieber als besser gestellte Beschissene leben wollt, als Euch mal richtig gegen die zu wenden , die Euch bescheissen ?
Ist es also nur Feigheit und kaltes Herz und garnicht Vaterlandsliebe, Christentum und Verantwortung für Eure Kinder ? Das kann ich nicht glauben.
Falls doch, dann sagt das doch einfach so und bemäntelt Eure Verbitterung, euren Opportunismus, eure Feigheit und eure Engherzigkeit nicht mit großen Worten.
Denn ihr wisst so gut wie ich: Die Frage, ob wir das schaffen, ist keine Frage der Zahl und der Herkunft der Geflüchteten, sondern einzig eine Frage des Willens und der Bereitschaft. Natürlich können wir das schaffen. Wer Exportweltmeister schafft, schafft auch Flüchtlingsintegration.
Wer 12 Millionen deutsche Flüchtlinge und Vertriebene nach 1945 in ein zerstörtes Land integrieren konnte, der kann natürlich auch mindestens 1 Million Flüchtende in das reichste Land Europas integrieren.
Sind Wille und Bereitschaft da, ist der Rest Geld und Organisationtalent- für Beides sind wir ziemlich bekannt in der Welt. Das hat uns bisher nicht gestört.
Natürlich macht es Arbeit und natürlich gibt es für einige Wenige von uns auch Einschränkungen. Regierungspolitiker zum Beispiel müssen jetzt etwas mehr rödeln als sonst, auch die Verwaltungen arbeiten am Limit, weil die Politik ihnen nicht die nötigen Ressourcen zur Verfügung stellt. Und zwischenzeitlich trifft es auch die eine oder andere Turnhalle. Aber sonst ? Ein bisschen mehr Selbstbewußtsein für stolze Deutsche sollte schon drin sein. Ihr könntet ja mal die viel gescholtenen Gutmenschen angucken. Viele von denen arbeiten inzwischen seit Monaten in Flüchtlingsunterkünften, ehrenamtlich nach der Arbeit, in ihrem Urlaub oder als Rentner oder Selbstständige und halten so den Laden am Laufen. Das sind Deutsche ! Zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl. Nur würden die das so nie von sich sagen.
Das Deutsche und die deutschen Werte halten angeblich ausgerechnet jene hoch, die seit Monaten nichts anderes tun als Jammern und Angst haben und Herausforderungen nicht annehmen, sondern sie abwehren wollen. Drückeberger, Weicheier und Heulsusen, die aus Angst vorm Muselmann oder um ihre nächste mikrige Rentenerhöhung Leuten zujubeln, die aus dieser zugegebenermaßen mehr schlecht als recht funktionierenden Demokratie, eine gut funktionierende Diktatur machen werden, wenn ihr sie lasst. Wer Orban in Ungarn und Petry in Deutschland hinterherläuft, der macht dieses recht friedliche Scheißbürokrateneuropa so kaputt, daß ihr euch nach diesem friedlichen Scheißbürokrateneuropa noch zurücksehnen werdet.
Ich wär ja dafür, es einfach besser zu machen und das zu beherzigen, was wir im Grunde alle wissen: Solidarität macht immer alle reicher. Abgrenzung und Konkurrenz macht Gewinner und Verlierer, gebiert Neid und Hass und Krieg. So einfach ist das.
Aber ihr sollt ja keinen einfachen Parolen hinterher rennen. Lasst Euch nicht nochmal blühende Landschaften versprechen. Von Niemandem.

Kommentare: 2
  • #2

    Alex Kaspareit (Sonntag, 13 März 2016 21:14)

    Guter Beitrag!

    Transparent wird einem der Spiegel vorgehalten. Schade, dass die "besorgten Bürger/innen sich wohl selbst nicht darin erkennen wollen.

    Vielleicht können Menschen, welche nächtelang schwere Schilder ("heute tolerant morgen fremd im eigenen land", oder ähnlich sinnbefreites) in die Luft halten auch einfach die Energie nicht mehr aufbringen, so viele Wörter zu lesen und auch noch richtig zu erfassen. Zumal es teilweise auch noch Überstunden zu schieben gilt in der örtlichen Flüchtlingsunterkunft. Nein nein, nicht Flüchtlingshilfe... diese muss ja schließlich fachmännisch bis auf die Grundmauer nieder gebrannt werden. Kümmert sich ja sonst keiner drum.
    Wehe die "Fremdenrate" wächst auf 0,01%.


  • #1

    Eva Schmelzer (Dienstag, 01 Dezember 2015 14:27)

    Dieser Artikel ist brillant - inhaltlich wie stilistisch! Und er steckt voller Sätze, die ich teilweise zweimal lesen musste, um die Wahrheit, die mir bislang nicht so bewusst war, voll zu verstehen. Sehr gut ist klar geworden, dass es für alle eigentlich nur eine Bedrohung gibt: große Teile der Politik des "Scheißbürokrateneuropas".