Keine Ramschpreise
Text: Gerrit Salomon
Fundstück bei Wemeze
30.12.2021
""Es darf keine Ramschpreise mehr geben" sagte der frisch ins Amt gewählte Landwirtschaftsminister Özdemir vor wenigen Tagen. Laut Tagesschau müssten aus Sicht von Özdemir zudem die Preise für Lebensmittel und Agrarprodukte steigen.
Kaum ausgesprochen, kam schon der zu erwartende Shitstorm von 'linker' Seite. Eine Erhöhung der Lebensmittelpreise (insbesondere die Fleischpreise) wäre unsozial und ginge auf Kosten der Armen und Hartz4-Empfänger.
"Ist doch gut, wenn die Öko FDP die Leute erziehen will. Steaks für die Reichen, Bratkartoffeln für die Armen. Man sieht sich im Bioladen."
So einer von vielen Kommentaren auf der Facebook-Seite Wemeze.
Mich irritiert diese Empörung vieler Linker, die meinen, Billigfleisch, Massentierhaltung und Ramsch-Lebensmittel seien notwendig, damit auch der "kleine Mann" oder "das arbeitende Volk" sich täglich Fleisch leisten könnten.
Ist die Massentierhaltung (Dumping-Löhne inklusive), welche billiges Fleisch (alle Antibiotika und Chemikalien inklusive), damit eben auch massenhaft Fleisch verzehrt werden kann die Lösung, um unter der Armutsgrenze lebende Mitbürger das "sich leisten können" zu ermöglichen? Ist es links oder sozialistisch, dass Urwälder in armen Ländern, in denen Menschen leben, die sich selbst die billigsten Lebensmittel nicht leisten können, weil ihre Äcker für das Soja-Weizen-Kraftfutter herhalten müssen, gerodet werden, weil die besagten Felder, auf denen sonst ihre Lebensmittel wachsen nicht mehr ausreichen, damit sich bei uns auch die arme Schicht täglich bei Mc. Donalds, Aldi, Lidl und Co. ein vielfaches von dem Fleisch reinzimmern kann, als es früher normal war?
"Man sollte, neben der Ökologie, auch die soziale Komponente nicht vergessen", deshalb dürften die Preise für das billige Fleisch nicht angehoben werden, so die Argumentation.
Aber wenn wir schon bei der sozialen Komponente sind:
1.) ist die auf die deutsche Bevölkerung beschränkt und gilt somit nicht für die globale Landbevölkerung, die durch das Landgrabbing unserer Agrarriesen ausblutet?
2.) bezieht sich die soziale Komponente nicht auch auf all die Menschen, die unter unwürdigen Beschäftigungsmethoden und Dumpinglöhnen in der Massentierhaltung arbeiten, um Billigfleisch zu ermöglichen?
3.) Ist nicht gerade dieses kapitalistische Massenproduktionsprinzip der Billigprodukte eine der Hauptursachen dafür, dass es selbst in Deutschland Menschen gibt, die sich die einfachsten Dinge nicht leisten können?
Man muss doch nicht zwangsläufig "Grüner" sein, um für eine nachhaltige Politik zu sein. Und apropos "links & Sozialismus": Ist nicht auch eine politische Ausrichtung im Wandel? Dogmatismus bringt uns nicht weiter.
Als gestandener Sozialist bin ich ein Globalisierungs- und Kapitalismuskritiker. Mit Lohndumping und weltweiter Ausbeutung von Arbeitern in der Massenproduktion von Giga-Konzernen habe ich ein Problem. Warum erkennen gerade "Betonlinke", für die sich die Welt seit Ende des 20.Jahrhunderts nicht mehr zu drehen scheint, nicht den kausalen Zusammenhang zwischen dem kapitalistischen Massenproduktionsprinzip der Billigprodukte und Armut / Ausbeutung?
"Niemand sollte täglich Fleisch-und Wurstwaren konsumieren. Diese Forderung, dass die 'arbeitende' Bevölkerung sich schon täglich Fleisch- und Wurstwaren leisten können sollte, ist nicht links, sondern weltzerstörend und tierverachtend. Und was hat der Hartz4-Bezieher davon, wenn er sich täglich diesen Antibiotika-Billig-Tierfolter-Dreck reinpfeifen kann und die Erde durch beschleunigten Klimawandel den Bach runter geht? So etwas ist kein Sozialismus, sondern ein gedankenloser Dogmatismus. Scheiße für alle ist das Problem, nicht die Lösung", so ein aus meiner Sicht sehr gelungener Kommentar auf der Facebook-Seite Wemeze.
Billigfleisch, die Verunsichtbarmachung von Massentierhaltung mit all seinen Folgen für Mensch, Tier und Natur, inklusiver der Giga-Schlachtbetriebe, welche hermetisch abgeriegelt werden, sind nicht die Lösung, sondern eine der Hauptursachen für Armut und Ausbeutung.
Gerrit Salomon
Gudrun (Montag, 24 Januar 2022 12:42)
Hallo Bernhard,
ich glaube nicht, das die Preise einfach nur erhöht werden sollen. Natürlich muss an den Ursachen für das Billigfleisch angesetzt werden, von der Massentierhaltung bis zur Schlachgtung im Akkord. Wenn Biohöfe mehr gefördert werden, dafür Subventionen für Billigfleisch wegfallen, reguliert sich der Markt von selber. Billigfleisch darf sich nicht mehr lohnen, weder für den Landwirt noch für den Kunden.
Liebe Grüße, Gudrun
Bernhard Eickel (Freitag, 21 Januar 2022 19:42)
Einfach die Preise erhöhen ist keine Lösung und keine Ursachenbekämpfung. Beispiel: Einer der Gründe für die niedrigen Preise ist die Massentierhaltung. Deshalb müssen Gesetze her, die die Massentierhaltung verbieten.
Der Preis wird dadurch von allein steigen, weil er abhängig ist von der "Ursache" Massentierhaltung.
Gerrit Salomon (Donnerstag, 20 Januar 2022 20:18)
Danke, ich fühle mich geehrt.