Wildbienen
Text und Fotos: Torsten Jäger
19.05.2016
Von den summenden Wilden
Heute möchte ich eine Lanze für jene brechen, die weniger im Blickfeld stehen, wenn man vom Bienensterben spricht.
Die Rede ist von den wilden Verwandten der domestizierten Honigbiene. Und von diesen gibt es jede Menge.
Deren bekanntester Vertreter ist wohl die Hummel, von der oft eine Tatsache erwähnt wird: Nämlich dass es aus rein physikalischer Sicht gar nicht möglich ist, dass Hummeln mit ihrem schweren und plump wirkenden Körper in die Lüfte abheben. Und trotzdem tun sie es aufgrund einer ausgeklügelten Aerodynamik und einer verblüffenden evolutionären Entwicklung.
Doch es gibt viel mehr als diese Tatsache, was über die Hummel gesagt werden müsste:
So ist sie ein faszinierendes, staatenbildendes Insekt, wobei sich ein Volk nur aus wenigen hundert Exemplaren zusammensetzt. Es besitzt eine Königin und diese fliegt im zeitigen Frühjahr durch die Gegend, um im Such-Flug eine Nistmöglichkeit zu entdecken.
Die Erdhummel baut beispielsweise ihre Nester u.a. in Mauselöcher. Dabei bevorzugt sie zwar verlassene Gangsysteme, doch sie schreckt im Zweifel auch vor einem Kampf nicht zurück! Ein Kampf gegen die Maus, den die Königin theoretisch auch mit ihrem Leben bezahlen könnte. Meist jedoch sind die Hautflügler derart geschickt, dass sie eher der Maus schwer zusetzen und diese vertreiben, als selbst Schaden zu nehmen.
Nestbau und Brutpflege
Hat die Königin einen geeigneten Platz entdeckt, schafft sie zunächst eine Art kugeliges Nest, das aus trockenem Gras, Moos, Blättern und anderen dämmenden Stoffen besteht. Das Material wird dicht miteinander verflochten und teilweise mit Wachs isoliert.
Ist das vollbracht, unternimmt die Königin ausgiebige Ausflüge, sammelt Nektar und legt Futtervorräte an. Das hat einen besonderen Grund:
Sie ist schließlich die Einzige, die im Boden überwinterte. Sie hat also keine Arbeiterinnen, die – wie bei den Honigbienen – nach dem Frühlingserwachen Nektar sammeln und somit Futter besorgen. Und so muss sie sich auch zunächst alleine um die Brutpflege kümmern. Das verbraucht viel Nahrung und ein zu langes Ausfliegen während der Eientwicklung könnte zu einem Auskühlen und damit dem Absterben der Brut führen.
Hat sie genügend Futtervorrat angehäuft, legt sie etwa ein Dutzend befruchteter Eier in ein unförmiges Wachsbehältnis. Die Befruchtung erfolgt übrigens durch das Sperma der Drohnen, das die Königin im letzten Sommer erhalten und in der Spermablase aufbewahrt hat.
Und dann kommt der Clou:
Sie setzt sich auf das konstruierte Wachsgebilde und brütet die Eier aus! Was man eigentlich von Vögeln kennt, vollzieht auch die künftige Monarchin des summenden Volkes mit großem Engagement. Durch eine bestimmte Technik hält die Königin die Brut konstant bei einer Temperatur von 30°C, selbst wenn draußen noch Spätfröste herrschen. Im Staat der Honigbiene übernehmen diese Brutpflege die Arbeiterinnen, die durch eine Kontraktion ihrer Flügelmuskulatur – ohne dabei mit den Flügeln zu schlagen – eine Erhitzung der Umgebung erreichen. Bei der Hummel ist auch diese Aufgabe zunächst nur von der Königin zu leisten.
Während die Larven heran wachsen, verlässt die Erdhummel-Königin auch für kurze Zeit das Nest, um Pollen einzusammeln. Um die Fütterung vorzunehmen, öffnet sie kurz das Wachspaket mit den Larven darin und lässt die Pollen hinein fallen. Dann verschließt sie es wieder.
Die Larven beginnen nach etwa 7 Tagen damit, sich zu verpuppen und einzuspinnen. Nach weiteren 15 Tagen schlüpfen sie und eine vollständige Metamorphose zum fertigen Insekt (Imago) hat stattgefunden.
Nach und nach übernehmen die Arbeiterinnen die Sammel- und Stockpflegetätigkeit der Königin komplett, sodass diese sich aufs Eierlegen konzentrieren kann.
Es gibt jedoch keine strenge Arbeitsteilung mit verschiedenen Schwerpunkten, angepasst an das jeweilige Lebensalter der Arbeiterinnen, so wie es bei der Honigbiene der Fall ist. Doch eine gewisse Teilung ist schon zu erkennen.
Die Fortpflanzung
Im Sommer beginnt die Königin schließlich damit, auch unbefruchtete Eier zu legen. Aus ihnen schlüpfen die Drohnen, also die männlichen Bienen. Kurz danach produziert die Königin schließlich für den Fortbestand ihres Volkes auch Eier, aus denen viele Jungköniginnen schlüpfen.
Nun kommt es zu gezielten Attacken gegen die Königin. Arbeiterinnen versuchen, sie aus dem Nest zu vertreiben. Dies gelingt ihnen schließlich und endet mit dem Tod der alten Monarchin.
Doch das ist nicht das Ende – es ist der Anfang von etwas Neuem. Getreu der etwas abgewandelten Heroldsformel, mit der in Frankreich stets ein neuer König ausgerufen wurde:
Die Königin ist tot – hoch lebe die Königin.
Schließlich hat das Volk viele Jungköniginnen hervor gebracht, die von den Drohnen befruchtet werden. Sie schwärmen aus, suchen sich einen Platz zum Überwintern, überdauern die kalte Jahreszeit. Und sobald die Temperaturen wieder milder werden, erwachen die neuen Königinnen aus der Kältestarre und fliegen durch die Gegend, um im Such-Flug eine Nistmöglichkeit zu entdecken. Ein Mauseloch, eine Nistmöglichkeit für ihre einen Sommer währende Regentschaft.
Die Einzelkämpfer
Neben diesen Staaten bildenden Wildbienen gibt es jedoch auch solche, die eher einzelgängerisch durch die Gegend summen. Man nennt sie auch Solitärbienen. Ihr Anteil in der Gruppe der Wildbienen liegt bei über 90%. Und ihre Lebensweise ist einfach:
Im Frühjahr schlüpfen aus den Larven männliche und weibliche Insekten. Es kommt zur Paarung und die Weibchen begeben sich direkt danach auf die Suche nach einem Nistplatz. Dieser kann je nach Art in Totholz, Sandstein, verlassenen Schneckenhäusern, in Schilfstängeln oder anderen Materialien liegen.
Die Biene sammelt nun fleißig Nektar und Pollen, befüllt die Nisthöhle oder -röhre mit genügend Futter und legt dann ein Ei darin ab. Zum Schutz des wertvollen Geleges verschließt sie alles mit einer Mischung aus Pflanzen- und Holzfasern, sowie Lehm oder harzartigem Material. So legt sie mehrere Niströhren an und ist ihre Arbeit getan, stirbt sie nach wenigen Wochen. Ihr Nachwuchs liegt gesichert in den Röhren und wartet auf seinen Einsatz für den kurzen aber existenziell wichtigen Fortbestand seiner Art.
Eine dritte Gruppe innerhalb der Wildbienenpopulation ist die so genannte Kuckucksbiene. Sie legt wie der Kuckuck ihre Eier in fremde Nester. Ist die Solitärbiene gerade unterwegs, um Futter zu sammeln, schlüpft der Schmarotzer in die Niströhre und legt sein Ei darin ab. Der Fortbestand der Kuckucksbiene ist somit gesichert, während die Solitärbiene blöd in die Röhre schaut…
Kommen Kuckucksbienen in größeren Mengen vor, bringt dies eine Solitärbienenart schnell an den Rand der regionalen Bedrohung. Gleichzeitig gräbt sich jedoch auch die Kuckucksbiene dadurch das Wasser ab, denn die nächste Generation ihres Wirtes – also die Solitärbiene, die fleißig Pollen sammelt und die Niströhre für den Schmarotzer baut – fällt dadurch aus. Somit geht auch ihr Bestand zurück und von anderswo wandern wieder Solitärbienen nach. Es kommt zu natürlichen Schwankungen in der Population, die ein gesundes Ökosystem mit Leichtigkeit abfangen kann. Schließlich funktioniert dieses System vielleicht bereits seit Jahrmillionen.
Bedrohte Vielfalt
Ganz anders ist es allerdings, wenn ein Ökosystem kränkelt, wenn es nicht mehr richtig funktioniert und das Gleichgewicht ins Wanken gerät. – Durch fehlende Nektarpflanzen, nicht vorhandene Nistmöglichkeiten, versiegelte Hausfassaden, ausgebrachte Gifte wie Neonicotinoide oder andere Pestizide, Fungizide und Herbizide. Dann gerät das Bauwerk der Evolution aus den Fugen und nicht nur Kuckucksbienen können dann zu einem vernichtenden regionalen Ende eines Wildbienenvorkommens führen.
Dabei haben gerade Wildbienen einen großen Anteil an der Bestäubung von Kultur- und Wildpflanzen. Noch sind ihre Bestände nicht durch die Varroamilbe oder andere Honigbienen-Krankheiten bedroht. Doch sie finden eben auch immer seltener Nistplätze und ausreichend Nahrung.
Einfache Hilsfsmaßnahmen
Dabei ist es so einfach, nützlich und auch sehr interessant, gerade solitär lebenden Bienen zu helfen. Wir können ihnen beispielsweise Hölzer anbieten, die mit Löchern unterschiedlichen Durchmessers versehen sind. Diese Röhren sollten etwa 2 Zentimeter tief sein, die Hölzer nach oben hin möglichst vor Regen geschützt werden. Auch Dosen, gefüllt mit Schilfstängeln, werden gerne angenommen. Wenn dann auch noch der Standort in der Sonne oder im Halbschatten liegt, ist das bereits „die halbe Miete“ für den sicheren Einzug von Wildbienen. Pflanzt man im Umkreis (möglichst heimische und vor allem bienenfreundliche) Blumen, Blühsträucher und lässt dort auch das eine oder andere blühende Wildkraut stehen, verzichtet auf die chemische Keule, kann man sich des Einzugs von Wildbienen praktisch sicher sein.
Gefährlich sind die Tiere übrigens überhaupt nicht. Der Stachel vieler Wildbienenarten kann nicht einmal die menschliche Haut durchdringen. Und die Tiere sind auch gar nicht aggressiv. Warum auch? Es sind keine Raubinsekten wie Wespen, sondern leben einzig von Pollen, Nektar und süßen Pflanzensäften.
Daher spricht nichts gegen die Ansiedlung der Tierchen. Ganz im Gegenteil:
Man trägt nicht nur zum Schutz der Natur bei. Und man bietet nicht nur wunderschönen Tieren eine Möglichkeit sich zu vermehren. Man kann dadurch auch selbst einen Nutzen ziehen, wenn man Erdbeeren, Äpfel, Birnen, Pfirsiche oder auch Gemüse in der Umgebung anpflanzt und somit seine Bestäubung und Fruchtbildung mit Hilfe der Wildbienen sicherstellt.
Auch der Hummel kann man Möglichkeiten zum Nestbau bieten. Es gibt Hummelnistkästen im Fachhandel zu kaufen, man kann auch selbst einen bauen. Will man diesen Aufwand nicht betreiben, reicht es oftmals aus, ein Stück im Garten der Natur zu überlassen und ein Verwildern zu ermöglichen. Im unbearbeiteten Boden wird sich bald ein Wühlmausloch finden, in dem auch eine Hummelkönigin ihr Nest bauen kann. Auch ein kleiner Steinhaufen in der Sonne hilft den Hummeln, Unterschlupf und einen Nistplatz zu finden.
Jürgen Kruse (Dienstag, 07 August 2018 17:12)
Siehe auch unser Wildbienenprojekt! (auch die Dokumente!!):
https://www.undekade-biologischevielfalt.de/projekte/aktuelle-projekte-beitraege/detail/projekt-details/show/Wettbewerb/1857/
Eva Schmelzer (Freitag, 03 Juni 2016 16:49)
Es ist faszinierend diesen Beitrag zu lesen. Man kann nur immer wieder staunen, wie reibungslos diese Insekten-Staaten funktionieren, wo jedes seine Aufgabe hat und sie erfüllt zum Nutzen aller. Das allermeiste von dem hier Beschriebenen habe ich gar nicht oder nur ungefähr gewusst. Deshalb mein ganz großer Dank an den Autor. Leider, leider hängt auch das Damoklesschwert der Gefährdung über diesen Tierchen. Gibt es überhaupt noch eine Art, der eine sichere Zukunft vorausgesagt werden kann? Aber ich denke, das Bewusstsein der Menschen, dass jede noch so kleine Art schützenswert ist, steigt. Mögen viele die hier erwähnten Schutz- und Hilfsmaßnahmen annehmen.