Die schleichende Vergiftung mit Glyphosat
Text: Torsten Jäger
Foto: Gudrun Kaspareit
22.12.2015
Von der schleichenden Vergiftung…
Bienen sind existenziell wichtig für ein funktionierendes Ökosystem. Die Honigbiene ist an der Bestäubung von 80% der Kulturpflanzen beteiligt, sie bestäubt 50% der Wildpflanzen. Den Rest übernehmen Hummeln, andere Wildbienen und Insekten.
Von dieser Bestäubungsleistung sind unzählige Arten abhängig. Viele Bäume, Sträucher und andere Pflanzen bilden Früchte und Samen nur deshalb aus, weil sie zuvor durch Insekten bestäubt wurden. Sinken die Bestände von Insekten, sinkt die Anzahl von bestäubten Blüten. Dadurch können sich Pflanzen weniger vermehren, da sie weniger Samen ausbilden. Und auch Tiere, die von den Beeren und Samen leben, werden durch ein schwindendes Angebot ihrer Lebensgrundlage beraubt. So sind beispielsweise viele Vögel von Samen als Futterquelle abhängig. Finden sie weniger Futter, leiden sie Hunger und müssen notgedrungen auf andere Möglichkeiten ausweichen. So fangen sie vielleicht vermehrt Insekten, was deren Bestände weiter schrumpfen lässt.
Vom Bock zum Gärtner
In unseren aufgeräumten Kulturlandschaften sind besonders durch die industrielle Landwirtschaft Wildkräuter Mangelware. Diese sind jedoch Nektarquelle für Honig- und Wildbienen und wie bei der menschlichen Ernährung liegt es nahe, dass auch Bienen Vielfalt in ihrem Nektar- und Pollenangebot benötigen. Zur Bestäubung von Obstbäumen sind Bienen willkommen, doch deren Blütezeit ist begrenzt. Und wenn sie abgeblüht sind, leiden Bienen und andere Insekten oftmals unter Nahrungsmangel in den „ökologischen Wüsten“ der Monokultur.
Einen Beitrag dazu leistet auch der Einsatz von Herbiziden. Um Unkräuter zu bekämpfen, werden diese ausgebracht und somit die Monokultur gefördert. Folge ist ein Absterben der Unkräuter, die in Wirklichkeit die Wildkräuter unserer Breiten und damit natürliche Futterquellen für unsere Insektenarten darstellen. So sucht man in immer mehr Gegenden vergeblich nach wilden Nektarpflanzen und stößt stattdessen auf blanke Erde, gemähte Rasenflächen und Lebensfeindlichkeit. – Mit allen negativen Folgen für Insekten und Ökosysteme. Das um sich greifende Bienensterben kommt nicht von ungefähr: Eine geschwächte, mangelernährte Biene ist ein gefundenes Fressen für Parasiten, wie die Varroa-Milbe oder für andere Bienenkrankheiten.
Vor allem aber werden die Bienen auch durch die vielen Giftstoffe krank, die man in die Natur ausbringt. Neben Unkrautvernichtungsmitteln sind das vor allem auch Pestizide zur Bekämpfung von Schädlingen oder Krankheiten. Anstatt auf ein Miteinander mit der Natur zu setzen, anstatt natürliche Feinde anzusiedeln und zu unterstützen, werden diese vergiftet, vertrieben und ihrer Lebensgrundlagen beraubt. Kein Wunder: Nützlinge verlangen kein Geld für ihre Leistung, die Chemieindustrie macht Milliardenumsätze durch den Verkauf von „Pflanzenschutzmitteln“ und betreibt auch entsprechende Lobbyarbeit im Bundestag und auf EU-Ebene.
Die Folge hiervon ist auch, dass man momentan die weitere Zulassung eines in die Kritik geratenen Giftes berät: Glyphosat
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte den Stoff vor kurzem als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Das in Deutschland zuständige Bundesamt für Risikobewertung (BfR) hat hier einen anderen Standpunkt und man spricht dort davon, dass die festgestellte Wirkung der WHO so nicht auf den Einsatz von Glyphosat übertragen werden kann. Zugleich wurde vor kurzem bekannt, dass das BfR seine Einschätzung vor allem auch anhand von Studien vornimmt, die von den Herstellern der jeweils zu prüfenden Chemikalie selbst erstellt worden sind.
Da könnte sich einem die Frage stellen: Wird dadurch nicht der Bock zum Gärtner gemacht?
Ich hab’s im Urin…
Eine weitere Frage hat sich mir gestellt, als vor kurzem die Aktion „Urinale“ anlief. An dieser großangelegten bundesweiten Initiative nahmen viele Menschen teil. Ihr Ziel ist es, festzustellen ob und wie viel Glyphosat sich im Urin der Probanden befindet. Auch ich nahm an der Aktion teil. Ich esse vorwiegend Bio-Lebensmittel und rechnete daher nicht mit einem positiven Befund. Und ich wurde überrascht:
In meinem Urin wurden 0,52 ng/ml Glyphosat festgestellt.
Zwar liegt der Wert noch unter 1 ng/ml, der als bedenklich gilt. Doch stellt sich mir einerseits die Frage, welche Aussagekraft dieser Grenzwert zur Bedenklichkeit hat, wenn er vielleicht auch durch Studien festgelegt wurde, die von den Herstellern durchgeführt wurden. Andererseits ist der Anspruch vielleicht in der heutigen Zeit etwas vermessen: Doch ich möchte eigentlich gar kein Unkrautvernichtungsmittel im Urin und damit im Körper haben. Schließlich handelt es sich dabei um ein Gift, das Pflanzen abtötet. Studien haben ergeben, dass Glyphosat u.a. eine embryonalschädigende Wirkung nicht nur bei Fröschen hat. Und die WHO hat den Stoff eben auch als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft.
Ich will mir gar nicht ausmalen, was eine Dauerberieselung durch Nahrung und Trinkwasser in meinem Körper auslöst…
Vor diesem Hintergrund ist es einfach erschreckend, dass die Zulassung des Giftes bis Mitte kommenden Jahres verlängert wurde. Und dass eine Zulassung für weitere 10 Jahre deutlich wahrscheinlicher ist, als ein Verbot. Und nicht zuletzt, dass man momentan eher darüber diskutiert, die gesetzlichen Grenzwerte deutlich anzuheben, da durch ein massives Ausbringen des Giftes in die Natur auch einfach die Konzentrationen in Trinkwasser und Nahrung immer weiter ansteigen.
Ist das also die richtige Vorgehensweise? Die Konzentration eines Stoffes steigt, und damit hier keine Grenzwerte überschritten werden, hebt man die Werte einfach an? Trotz Warnungen der WHO?
Auf welcher Basis soll dies erfolgen? Etwa auf Basis des Grundgesetzes, nach dem die „körperliche Unversehrtheit der Person“ garantiert wird? Oder wohl doch eher auf Basis wirtschaftlicher Interessen?
Was tun?
Bleibt die Frage, was wir tun können, um uns und die Natur vor diesem Gift zu schützen.
Wir können zunächst einmal auf die chemische Keule im Garten verzichten. Wir können auf Biolebensmittel zurückgreifen. Somit können wir den Einsatz von Glyphosat eindämmen und zugleich unbelastete Lebensmittel zu uns nehmen. Wir können Druck auf Kommunen und Städte ausüben, kein Glyphosat mehr auf öffentlichen Flächen einzusetzen. Die Stadt Starnberg hat beispielsweise angekündigt, auf den Einsatz von Glyphosat und anderen Pestiziden weitgehend zu verzichten.
Auch die Bahn versprüht tonnenweise dieses Gift, um ihre Gleise unkrautfrei zu halten. Hier müsste sich Widerstand formieren, um der Bahn, die mit Umweltfreundlichkeit wirbt von einem Verzicht des Giftes zu überzeugen.
Wir können uns nicht zu 100% vor Glyphosat schützen. Doch wir können uns wehren gegen die langsame Vergiftung der Natur und unserer Gesundheit.
Eva Schmelzer (Samstag, 02 Januar 2016 16:51)
Ein erschütternder Bericht, der uns zeigt, dass Glyphosat nicht nur unser direktes Leben betrifft, wenn Bienen und andere Bestäuber immer weniger werden, sondern die Artenvielfalt dramatisch reduziert wird, was letztlich alles von der Natur so fein gefügte zerstört. Mir war auch nicht der Zusammenhang zwischen dem Gift und der Varroa-Milbe bekannt, die ja immer gern als Grund für das Bienensterben angeführt wird. Und wie können die Verantwortlichen so kurzsichtig sein, die Wirkung dieses Giftes darauf zu reduzieren, ob es nun krebserregend für den Menschen ist oder nicht? Haben wir nicht eine Verpflichtung darüber hinaus allen Lebewesen gegenüber? Empört haben mich auch, wie bzw. von wem die „Studien“ erstellt werden. Das ist arglistige Täuschung und Betrug. Und die Zulassung ist Körperverletzung bis hin zum Totschlag. Diese Machenschaften zwischen Wirtschaftsverbänden und Politik sind perfide.
Sicher kann und muss der Einzelne in seinem Garten, auf seinem Balkon auf Glyphosat und andere Gifte verzichten, bewusst seine Nahrungsmittel auswählen, bei Aktionen dagegen mitmachen. Aber damit wird das Problem nicht gelöst werden, wenn z.B. wie beschrieben, allein die Bahn dieses Gift tonnenweise einsetzt.
Wenn die Politik nicht so reagiert, wie sie dem Bürger verpflichtet wäre, hilft tatsächlich nur massiver Protest. Im Mai gab es in Düsseldorf dazu übrigens eine öffentliche Protestveranstaltung mit lächerlichen 200 Teilnehmern. Allerdings hat die Baumarktkette Toom glyphosathaltige Mittel inzwischen aus dem Verkauf genommen.
Ich danke Torsten Jäger für den aufklärenden Bericht und Gudrun für die Fotos der Blüten mit Bienen und Schmetterlingen, die auch unsere Urenkel hoffentlich noch in natura bewundern können.
Erika (Freitag, 01 Januar 2016 22:06)
Selbst kleine Gaerten koennen eine Oase fuer Insekten ergeben. Nicht vernichtetes Laub, ein echter 'Naturgarten' ohne Rasen, mit Wildkraeutern, Graesern, Beeren-Straeuchern, Holzapfel,Farn, Efeuhecke, Brennessel-Ecke, ein Loch unter dem Zaun fuer Wildtiere, einige Wasserschalen, Fledermausbox, Insektenunterschlupf und Fuetterung der Singvoegel das ganze Jahr hindurch und nachts duftende Pflanzen. Keine Beschneidung, naturbelassen bleiben sie und pflege-leicht.