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Die wilde Karde

Text und Fotos: Ulrike Beschow

11.03.21

Zeichnung mit Pastellkreide von Ulrike Beschow
Zeichnung mit Pastelkreide Ulrike von Beschow

 Dipsacus sylvestris, fullonum, sativus

Familie: Geißblattgewächse- Caprifoliaceae

Unterfamilie: Kardengewächse- Dipsacoideae

 

Das Jahr ist noch relativ jung aber so langsam sprießt es - nach dem großen Schnee - an allen Ecken und Enden. Heute möchte ich mich mit einer wahrlich archaischen Pflanze zurückmelden. Da die oberirdischen Kräuter noch ein paar Wochen brauchen um gesammelt werden zu können, gehen wir heute unter die Erde und schauen nach Wurzeln, aber dazu später mehr.

Als wir noch unseren Kräuter- und Gemüsegarten besaßen, hatten wir einige Karden in unseren Beeten angesiedelt. Zu unserer großen Freude wuchsen diese zu wirklich stattlichen Pflanzen heran. man konnte zwischen sie hineintreten. Sie bekamen den ganzen Tag über Sonne und erreichten Höhen von bis zu zwei Metern. Zahlreiche Bienen, Schmetterlinge, wie z. B. der Admiral und Hummeln labten sich in er Blütezeit (VII- VIII) an ihrem Nektar. Da wir viel in der Natur unterwegs sind, haben wir immer nach dieser majestätischen Pflanze Ausschau gehalten. Aber leider ist sie in der freien Landschaft hier bei uns immer seltener anzutreffen. Um so mehr haben wir uns gefreut als wir ein großes Areal bei uns in der Nähe entdeckt haben. Die verblühten und vertrockneten Pflanzen von letztem Jahr ragen in großen Mengen in den Himmel und eine Unzahl frischer Rosetten war am Boden zu finden. Nun hoffen wir inständig, dass dieses Kleinod nicht wieder der allgemeinen Zerstörungswut zum Opfer fällt.

Karden
(c) Ulrike Beschow Karden

Diese kraftvolle Pflanze, welche im ersten Moment aussieht wie eine Distel, aber keine ist, gehört zur Familie der Geißblattgewächse und hat eine eigene Unterfamilie, die Kardengewächse. Mit der Karde verwandt sind z. B. auch die Skabiosen, der Teufelsabbiss und die Witwenblumen.

 

Die Karde ist eine zweijährige, ausdauernde, krautige Pflanze, welche erst im 2. Jahr blüht. Fast die komplette Pflanze, vor allem der Stengel, aber auch die Unterseiten der großen Blattrippen, weisen spitze Stacheln auf. Diese sind aber nicht wie bei den Disteln spitz und nadelig, sondern sehen eher aus wie spitze kleine Zähne. Manche vermuten, dass die Pflanze sich so gegen Ameisen zur Wehr setzt. Es ist ja bekannt, dass diese emsigen Tierchen Blattläuse auf Pflanzen transportieren um sie dann zu "melken", was den Pflanzen aber nicht bekommt. Die gegenständigen Blätter sind um den Stengel am Grund zusammengewachsen, sodass sie ein kleines Becken bilden in dem sich Tau und Regenwasser sammeln. Der Gattungsname "Dipsacus" beruht auf dem griechischen "dipsan", was durstig bedeutet. So findet man hier eine natürliche Tränke für Insekten und kleinere Vögel.

Kardenrosette
(c) Ulrike Beschow Kardenrosette

 Der englische Arzt und Apotheker Nicolas Culpeper (18. Oktober 1616- 10. Januar 1654) hatte, durch den Unterricht des bedeutendsten englischen Astrologen William Lilly, ein enormes Wissen der Astrologie erhalten. Es machte ihn zu dem Begründer der Herbalastrologie der Neuzeit. Culpeper war mit seinen Methoden und seinem Wissen der Phytothérapie den anderen Ärzten seiner Zeit weit überlegen. Das Zusammentreffen dieser beiden Menschen konnte nur in einer langen Freundschaft enden. Wie eigentlich alles, so wurden auch die Pflanzen bestimmten Planeten zugeordnet, da alles mit allem verbunden ist und beeinflusst wird. Die Signaturenlehre betrachtet deshalb auch die Gesamtheit der Pflanze (Habitus, Standort- also die komplette Umwelt) und nicht nur einzelne Inhaltsstoffe, so wie es heute in der Schulwissenschaft üblich ist. Wenn man nun die Karde eingehender betrachtet, fällt einem zuerst der wehrhafte Ausdruck auf. Sie wächst zu beeindruckender Höhe und durch ihre vielen Stacheln weiß sie sich eindrucksvoll zu wehren. Das sind die kriegerischen Eigenschaften des roten Planeten Mars. Der rötliche Blütenring der sich im Juli bildet, deutet auch auf den Mars. Aber es kommen noch andere Aspekte bei der Karde zum Tragen. Hier hat auch noch die stolze Venus ihre Finger mit im Spiel, die den Mars milder stimmen. Ich möchte hier einmal die planetarischen Eigenschaften dieser zwei Planeten aufführen, so wie sie Culpeper beschrieben hat.

 

Quelle: Nicolas Culpeper und die astrologische Heilkräuterkunde, von Max Aman 

Mars: eröffnend, reinigend, energisch ausleitend,; sympathisch bei Rheuma, antipathisch bei Abwehrschwäche, Reaktionsmangel (Lethargie) und bei kalten Leiden 

Venus: regenerierend, kühlend, für Wunden, besonders eiternde, für Leiden der Zeugungsorgane; antipathisch gegen hitzige Krankheite

 

Wie ich schon schrieb, sind die Blätter der Karde an der Basis um den Stengel zusammengewachsen. Die kleine Schale, welche dadurch entsteht, wird auch "Venusbecken" genannt. Die verführerische Venus steht natürlich auch für Schönheit und Jugend. Das Wasser, das sich in diesem Becken sammelt, soll demzufolge, wenn es sauber ist, auch als Gesichtswasser, gegen Sommer- und Altersflecken und für die Augen verwendbar sein. Hier folge ich eher der Auffassung von Dr. Wolf- Dieter Storl, dass sich dieses eher auf der ätherischen Ebene abspielt, aber auch diese spielt eine sehr wichtige Rolle in unserem Dasein. Wer sich weiter damit auseinandersetzen möchte, dem sei das Buch "Borreliose- natürlich heilen" von Herrn Dr. Storl wärmstens ans Herz gelegt. Er beschreibt hier die Karde sehr ausführlich als natürliches Mittel bei Borreliose. Da er selbst davon betroffen war und er sich ein unglaubliches Wissen über Heilpflanzen über die Jahre angeeignet hat, weis er worüber er schreibt. Inzwischen scheint auch in der Schulmedizin einiges über die Karde angekommen zu sein. Deswegen möchte ich auch nicht ausführlicher auf diese, von Zecken übertragene Krankheit eingehen. Nur eins: Der Blütenstand der Karde zeichnet eine eindeutige Signatur der Krankheit. Der rötlich- violette Blütenring beginnt in der Mitte des ovalen Köpfchens und teilt sich beim Verblühen gleichmäßig nach oben und nach unten. Das ist ein eindeutiges Zeichen der auftretenden Wanderröte (Erythema migrans), das erste Zeichen einer Erkrankung mit Borreliose.

Blühende Karde
(c) Ulrike Beschow Blühende Karde

Am bekanntesten ist wahrscheinlich die Verwendung der getrockneten Kardenblüten in Trockengestecken. Aber die Karde wurde schon in der Eisenzeit zur Herstellung von Geweben verwendet, was Ausgrabungen bestätigt haben. Auch Hieronymus Bock berichtet 1539, dass die Weber die Rauhkarde in ihren Gärten angepflanzt haben. Sie wurde früher zum Kardieren - glätten der Wollfasern vor dem Spinnen der Wolle - benutzt, aber hauptsächlich zum Aufrauen der Gewebe um es dichter und wärmer zu bekommen. Zahlreiche andere Namen der Karde weisen auf ihre frühere Verwendung hin wie z.B. Weberdistel, Kratzkopf oder Walkerdistel. Die englische Tuchmacherzunft hat drei gekreuzte Karden in ihrem Wappen. Auch heutzutage kommt sie noch bei der Herstellung ganz feiner Tuche zum Einsatz, was mit Sicherheit seinen Preis hat. Nördlich von Friedrichshafen am Bodensee liegt die Gemeinde Baienfurt mit der Karde als Wappenpflanze. Wie ich auf ihrer Homepage erfahren habe, ist im Ortsteil Neunerbeck das "Kardelmuseum" angesiedelt, Deutschlands einziges Spezialmuseum zur Karde.

 

Karde
(c) Ulrike Beschow

Verwendung in der Küche

Die Verwendung in der Küche ist bei der Karde eher therapeutischer Natur, denn geschmacklich. Ein gemahlenes Wurzelpulver kommt in Broten und als Zugabe zu Speisen hin und wieder vor. 

"Suchst du das Höchste, das Größte? Die Pflanze kann es dich lehren. Was sie willenlos ist, sei du es wollend – das ist’s."

Schiller

Alles Liebe und bleibt gesund,

Eure Ulrike

Kommentare: 2
  • #2

    Bettina Jöcks (Mittwoch, 17 März 2021 19:38)

    Die Wilde Karde wird in der Tat auch als "Weberkarde" bezeichnet, es gibt aber auch eine "richtige" Weberkarde:
    "Dipsacus sativus". Das habe ich mal bei Jürgen Feder mitbekommen.
    Beide Karden werden lt. Wikipedia zum Aufrauhen von Wollstoffen genommen. Letztere Karde sieht auch in der Blüte anders aus.
    Genau also nur mit lateinischem Namen.

  • #1

    Eva Schmelzer (Montag, 15 März 2021 18:24)

    Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich den Namen dieser Pflanze nicht kannte, wohl aber die Pflanze selbst, die ich als Distelart angesehen habe. Umso mehr freue ich mich über diesen Bericht, der den Leser und Betrachter so umfangreich mit diesem wunderbaren Gewächs vertraut macht. Ulrike hat sie auf so umfangreiche Art vorgestellt, dass keine Fragen offen bleiben und nur große Bewunderung bleibt. Danke dafür!