Der Weißdorn
Text, Gedicht und Gemälde: Ulrike Beschow
10.10.2020
"Ein Summen liegt in der Luft
und wird mit jedem Schritt lauter.
Man könnte meinen
Gevatter Frost hat eine kleine
Nische
mit seinen weißen Flocken
überzogen.
Doch unzählige Bienen
haben schwer zu tragen
an ihrem gelben Beinkleid."
(Ulrike Beschow)
Familie: Rosengewächse- Rosaceae
Mein kleines Sprüchlein bezieht sich natürlich auf den Wonnemonat Mai, aber auch jetzt, im Oktober, kann man ihn mit seiner strahlend roten Pracht bewundern und auch nutzen. Allerdings sollte man sich sputen, wenn man die schönen roten Beeren noch ernten möchte. Zur Auswahl haben wir den ein- (Crataegus monogyna) und zweigriffligen Weißdorn. Ersteren kann man an den tief eingebuchteten Blättern erkennen und natürlich an nur einem Griffel in der Blüte. Für die Verwendung spielt das aber keine Rolle.
Weißdorn ist in ganz Europa zahlreich vertreten und ist ein typischer Baum an Weg- und Waldrändern. Wenn er im Mai zu blühen anfängt, weiss man schon aus der Entfernung um welchen Baum/ Strauch es sich handelt. Die dicht stehenden, unzähligen Blüten (Doldenrispen) verdecken oft das grüne Laub. Wer sich aber dem Weißdorn nähert wird bemerken, dass der Duft der Blüten etwas im Gegensatz zu seinem Aussehen steht. Er erinnert uns eher an Maikäfer und stammt von dem Inhaltsstoff Trimethylamin. Daher werden vom Weißdorn auch sehr viel Aasinsekten angezogen. Er hat eine große ökologische Bedeutung für unsere immer weniger werdende Insektenwelt und bietet zahlreichen Insekten und Vogelarten Nahrung und Schutz. Die Raupen von 56 Schmetterlingsarten finden nahrhafte Blätter und die Schmetterlinge selbst ausreichend Nektar. Sehr oft ist der Weißdorn eher ein dichter Strauch als ein Baum.
Als Baum wird er nicht sehr hoch und hat meist eine verzweigte, dichte Krone. Das durchschnittliche Alter beträgt etwa 150 Jahre, er kann aber, wenn der Mensch nicht eingreift, bis zu 500 Jahre alt werden. Was für einen wundervollen, mythischern und archaischen Anblick bietet uns so ein alter Baum. Man kann die "Anderswelt" förmlich spüren. Für die zahlreichen Vogelarten ist er, mit seinem dichten Geäst und seinen spitzen Dornen, ein schützender Kokon zur Brutzeit. Seine Samen sind im Übrigen erst entwicklungsfähig, wenn sie einen Vogeldarm passiert haben. Also, wer die Möglichkeit hat ihn in seinem Garten anzupflanzen, sollte dies unbedingt unseren Vorfahren gleichtun und ihn in die Hecke integrieren. Wenn man das Laub im Herbst zu einem Häufchen zusammenrecht, findet auch der kleine, drollige Igel einen guten Schlafplatz für den Winter. Bei unseren Ahnen fand man den Weißdorn als Einfriedung ihrer Grundstücke, Felder und Wiesen. Er fand sich in Gesellschaft mit anderen wehrhaften Rosengewächsen wie Brombeere, Heckenrosen, aber auch dem Holunder. Bei der Vertreibung von Krankheiten wurden die Patienten unter den Zweigen hindurchgeschickt um die Krankheiten zu vertreiben und sie an die Bäume zu "übergeben". Ein weiterer Aspekt dieser Pflanzungen war, böse Mächte von den Häusern fernzuhalten, da diese Hecken fast undurchdringlich waren,. Die drei Erscheinungsformen des Weißdorn, jahreszeitlich betrachtet, spielten in der Mythologie unserer Ahnen eine große Rolle. Im Mai erstrahlt der Strauch in einem fast überirdischen Weiß; der erste Aspekt der Großen Göttin. Sie, Birgit oder Brigit, steht für den Neubeginn, die Reinheit, Fruchtbarkeit und die Jugend. Aber trotz dieser strahlenden Reinheit trägt sie schon, auf Grund ihres Dufts, den dritten Aspekt in sich und erinnert uns hier an den ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen, den die schwarze Morrigan, die Todesgöttin verkörpert. Ihre reifen, roten Früchten unterstehen der Herrschaft der Matrone mit dem Füllhorn, der Ernährerin, der Kornmutter, Annona.
Es gibt viele verschiedene Namen, so viele wie Religionen und Kulturkreise, gemeint sind immer die selben, und es ist nicht leicht sich darin zurecht zu finden. Der Weißdorn besitzt ein sehr hartes Holz und wurde gern für Arbeitsgeräte wie Rechen, Gabeln, Werkzeugstielen, Wanderstöcken oder Spindeln verwendet. Sein wissenschaftlicher Name Crataegus, griech. krataios - stark, hart - drückt das aus. Wahrscheinlich war auch die Spindel von Dornröschen aus diesem Holz, man nennt ihn auch Schlafdorn. Es gibt eine wunderbare Legende um Joseph von Arimathia und seinem Wanderstab, welche ich in meinem Kräuterbuch erzählt habe.
Ein schöner, überlieferter Brauch aus dem keltische- germanischen Fruchtbarkeitszauber ist das Brechen von Obstholzzweigen vor der Wintersonnenwende. Wenn sie dann über Weihnachten auch noch blühen, kann man auf ein glückliches und fruchtbares neues Jahr hoffen. Die Christen übertrugen diesen Brauch auf die Heilige Barbara. Sie brachen die Zweige an ihrem Namenstag, dem 4. Dezember. Daher auch die Namensgebung "Barbarazweige". Die Heilige Barbara steht hier für die weiße Göttin, den Aspekt der Fruchtbarkeit.
Heilwirkungen
Der Weißdorn hat schon eine lange Tradition in der Volksheilkunde. Hieronymos Bock berichtete schon über den Einsatz bei Durchfall und "Bauchgrimmen". Heute kennt man vor Allem seinen Einsatz bei Herzbeschwerden und Unruhezuständen. Wie alle Kräuter hat auch der Weißdorn nicht nur eine körperliche Wirkung, sondern er wirkt auch auf der seelischen Ebene. Egal, wie viel und welche seelischen Verletzungen wir in unserem Leben erfahren haben, er öffnet unsere Herzen für die Liebe. Wir lernen wieder sie zu empfinden und auszudrücken. Diese Eigenschaft möchte ich ganz besonders hervorheben, da sie in der heutigen Zeit der Transformation von besonderer Bedeutung ist.
Der Weißdorn hilft uns Stress abzubauen und unsere Ängste loszulassen. Wir alle haben den göttlichen Funken, die Flamme in uns, wir müssen uns dessen nur wieder bewusst werden. All die Ängste, die uns ein Leben lang verfolgen, werden uns von Kindesbeinen an eingeredet. Ganz am Anfang stehen natürlich unsere Eltern, welche es in ihrem Leben meistens auch nicht anders erfahren haben. Diese Reihe der "Schuldigen" ließe sich unendlich fortsetzen. Lassen Sie uns diese großen Fehler erkennen und unsere Kinder wieder zu eigenständig denkenden Menschen erziehen. Machen Sie sich bewusst, dass uns "unsere" Kinder nicht gehören. Gerade in diesem Jahr sehen wir ganz deutlich wie man uns Menschen immer mehr in Angst versetzen will und somit versucht, von den eigentlichen Problemen abzulenken. Wie sollen denn wir Menschen gesund sein bei unserer kranken Mutter Erde, bei Nahrungsmitteln welche überquellen von Pestiziden und Antibiotika? Hier ist jeder Einzelne gefragt seinen Lebensstiel zu hinterfragen. Wir brauchen keine ständigen Verbote, wir brauchen auch keine Werbung die uns fast täglich kiloweise ins Haus flattert - welch eine unnütze Verschwendung und Umweltverschmutzung. Wenn wir als selbständig denkende Verbraucher selbst entscheiden was in unseren Einkaufstaschen landet und ob wir es tatsächlich benötigen, wird es dem Universum besser gehen. Aber wir als Menschheit haben, jeder für sich, die volle Verantwortung aus der sich niemand stehlen kann, wenn wir überleben wollen. Hört auf Euer Bauchgefühl und trefft verantwortungsvolle Entscheidungen die keinem anderen Schaden zufügen. Aber nun zurück zum Herzkraut Weißdorn, so wie er vielen von Ihnen vielleicht bekannt ist. Erst Mitte des 19. Jh. wurden die heilenden und ausgleichenden Eigenschaften des Weißdorns auf das Herz entdeckt. Der irische Arzt Dr. Green hat ihn als Erster für seine Herzpatienten verwendet und sie kamen in Scharen zu ihm. Wie er an dieses Wissen gelangt ist, wissen wir nicht, aber bis zur viel gelobten industriellen Revolution war es auch unwichtig. Die Menschen bekamen erst Probleme mit ihrem Herzen, dem Sitz der Seele, als sie ihren eigenen Rhythmus nicht mehr selbst bestimme konnten, sondern er immer mehr und immer intensiver von Maschinen vorgegeben wurde. In diesem Zusammenhang mag es interessant sein, dass es diese neueren Herzsymptomatiken in der alten Kräuterheilkunde nicht gab. Sicherlich, es gab schon Pflanzen, die bei Herzbeschwerden eingesetzt wurden, aber diese Beschwerden wurden anders definiert. Da gab es Mittel für ein verhärtetes oder ein gebrochenes Herz oder Ähnliches. Hast, Eile, Stress und Oberflächlichkeit in den wirklich wichtigen Dingen sind die Auslöser einer der häufigsten Todesursachen in den westlichen Industrienationen: Herzversagen.
Wann immer es die Zeit erlaubt klinkt Euch aus, aus diesem Hamsterrad. Ein schöner Herbstspaziergang durch buntes Laub, vielleicht zu einem alten Weißdorn, welcher uns Geschichten erzählt, wenn man genau hinhört und uns auch noch seine Heilkräfte schenkt. Man kann alles von ihm verwenden, Blätter, Blüten und Früchte.
Diesen Tee aus Blüten oder Blättern oder beiden zusammen, oder aus den getrockneten roten Beeren, kann man einfach so oder zur Vorbeugung genießen, denn er schützt das Herz. Für ältere Menschen ist Weißdorn ein idealer Tee um das alternde Herz zu stärken, auch wenn keine akuten Probleme vorliegen. Weißdorn fördert die koronare Durchblutung und steigert die Herzleistung. Wer ernsthafte Probleme mit seinem Herzen hat wie z. B. - Durchblutungsstörungen der Herzkranzgefäße, - chronische Herzinsuffizienz, Kreislaufstörungen- leichte Herzrhythmusstörungen, Bluthochdruck - Herzstechen, Schlafstörungen nervösen Ursprungs, der sollte zur Therapieunterstützung 2- 3 Tassen Weißdorntee täglich trinken. Im Frühjahr kann man die frischen, jungen Blätter, die leicht nussig schmecken, auch für Salate verwenden. Ich setze jedes Jahr eine Tinktur an (wir bevorzugen die Beeren), im Mai Blätter und Blüten- im Herbst die Früchte. Egal für was Ihr Euch entscheidet, füllt es in ein Schraubglas und gießt mit einem Korn auf. Laßt alles 6 Wochen an einem warmen Ort ziehen und filtert dann den Ansatz durch ein Tuch ab. Anschließend wird diese Tinktur noch in dunkle Flaschen gefüllt. Zu den Anwendungsgebieten des Weißdorns zählen Herzschwäche, Altersherz, Angina Pectoris, Bluthochdruck, Herzrhythmusstörungen, Nervosität, Kreislaufstörungen, Schlaflosigkeit und Wechseljahrsbeschwerden. Ganz allgemein lässt sich sagen, dass er beruhigend und auf den Blutdruck ausgleichend wirkt.
Räuchern
Wenn das Leben, der Rhythmus aus dem Gleichgewicht geraten sind, stellt er unsere Harmonie wieder her. Er hilft bei depressiven Verstimmungen und schenkt uns wieder Lebensfreude. Wenn die Trauer, die natürlich ihre Zeit braucht, nicht vergehen will, hilft er dem verwundeten Herzen wieder zur Freude zurückzufinden und sich zu öffnen. Auch auf dieser Ebene wirkt er beruhigend, ausgleichend, schlaffördernd, entspannend und stimmungsaufhellend. Er eignet sich auch für Reinigungsräucherungen und lässt sich je nach Zweck gut mit anderen Kräutern, Gewürzen oder Harzen mischen, wie z. B. Salbei, Melisse, Rose, Wachholder, Zimt, Eisenkraut um hier nur einige zu nennen.
Verwendung in der Küche
Seit nun fast zwei Jahrzehnten backen wir komplett alles selbst. Die chemischen Zusatzstoffe (bis 35) in den gekauften Broten haben mir über Jahre ständige Bauchschmerzen beschert. Sie haben in Lebensmitteln nicht das Geringste verloren.
Darum möchte ich hier ein leckeres Brot vorstellen, was ich bestimmt seit gut zehn Jahren immer wieder backe. Es stammt aus dem schönen Kochbuch von E. Mayer und M. Diewald "Die besten Wildfrucht Rezepte" aus den Leopold Stocker Verlag.
Weißdornfrüchtebrot 1 Kg frische Weißdornfrüchte, 250 ml Orangensaft. Die verlesenen, sauberen Früchte werden mit dem Saft zusammen weich gekocht und durch ein Sieb passiert. Am Besten geht es mit einem Durchschlag, bei dem die Löcher etwas kleiner sind als die Kerne und einem Kartoffelstampfer. Ferner benötigen wir 1 kg Mehl (wir nehmen Dinkel, kann man auch mit Vollkorn mischen), 1 El Salz, 1 Würfel Hefe, 3 El Honig, lauwarmes Wasser nach Bedarf. Nun wird das Mus mit den anderen Zutaten und der in etwas lauwarmen Wasser aufgelösten Hefe zu einem geschmeidigen Teig verarbeitet. Die Menge des lauwarmen Wassers muß man vorsichtig ausprobieren, der Teig sollte aber etwas klebrig sein. Lassen Sie den Teig zugedeckt an einem warmen Ort ca. zwei Stunden gehen und kneten ihn dann noch einmal mindestens fünf Minuten gut durch. Füllen Sie den Teig nun in eine gebutterte, große Kastenform. Er wird locker (damit es Platz zum Gehen hat und nicht festklebt) mit Frischhaltefolie abgedeckt und noch einmal eine Stunde gehen gelassen. Er sollte aber nicht oben überlaufen; haben Sie also ein Auge darauf, es geht auch manchmal schneller. Wir backen dieses Brot bei ca. 180- 190 ̊ Umluft im vorgeheizten Ofen 40 Minuten.
Um dieses delikate Brot immer wieder übers Jahr verteilt backen zu können, legen wir uns einen Vorrat an Weißdornmus an. Wir kochen dieses wie Apfelmus in kleinen Gläsern ein, wovon wir je nach Glasgröße dann den Inhalt von 1- 2 Gläsern für das Brot verwenden. Als Variation für dieses Brot bieten sich außerdem noch Mus aus Schlehen (hier braucht man mehr Flüssigkeit) oder Hagebutten an. Wir hatten einmal sehr viel überreife Mirabellen, auch sie sind als Mus in diesen Teig gewandert.
Genießt den schönen Herbst und den wunderbaren Anblick. Und wenn die Abende länger werden wärmt und schmeckt ein Weißdorntee.
Alles Liebe Eure
Ulrike
Gudrun (Dienstag, 03 November 2020 05:31)
Liebe Ulrike,
Deine Bilder und Ausführungen, sowie die Rezepte sind immer ganz außergewöhnlich. Sie begeistern und wecken Neugier und Interesse. Ich danke Dir sehr,
Gudrun