Der Waldmeister
Text, Malerei, Foto: Ulrike Beschow
21.03.2024
"Ganz versunken und überwältigt
von dem frischen Grün
des Frühlings.
Ein betörender Duft bestimmt
unsere Richtung.
Hunderte kleine weiße Gaukler
balancieren auf langen Quirlen
über dem Waldboden und
laden zum Tanz in den Mai."
(Ulrike Beschow)
Galium odoratum L. -Asperula odorata L.
Familie: Rötegewächse- Rubiaceae
Der Frühling kommt mit riesen Schritten durch die Natur gestiefelt und schwingt die Pinsel. Unsere Seelen bekommen Auftrieb und das Leben fühlt sich gleich etwas leichter an.
Obwohl es unsere kleinen Vögel nicht ganz einfach haben, ist es jeden Tag eine Freude ihrem lustigen Treiben zuzusehen. Sie genießen einfach ihr Leben und zeigen uns wie es geht.
Diesmal habe ich mir den Waldmeister ausgesucht, ein wahrhaft leckeres Kraut.
Wenn man im Mai einen Spaziergang durch einen Buchen- oder Mischwald macht ist es gut möglich, dass uns ein Duft aus Kindertagen abseits der Wege lockt. Denn unter diesen Bäumen fühlt sich der Waldmeister wohl. Er steht gern in ihrem Schatten und liebt eine nährstoffreiche Walderde. Man findet ihn in Asien, Nordamerika und ganz Mitteleuropa. Die Samenstände, welche er nach der Blüte bildet, sind zunächst kleine stachelige Kügelchen, die sich später in zwei kleine Nüsschen mit dicken Hakenborsten trennen. Somit können sie im Fell von Tieren leicht weiterverbreitet werden und ihr Überleben ist gesichert.
Der Waldmeister hat aber noch eine andere Strategie entwickelt. Wenn im Herbst durch das herunterfallende Laub seine langen Stengel umgeknickt werden und auf der Erde aufliegen, bildet er im Frühling an diesen Stellen neue Wurzeln und wächst wieder an.
Wer einen eigenen Garten sein Eigen nenn kann ihn sich auch zu Hause ansiedeln. Im Fachhandel bekommt man ihn als Pflanzen oder als Samen. Letztere sät man im August im Freien aus. Hierfür mischt man am Besten lehmigen Boden mit Buchenlaub. Im Herbst kann man ihn dann auf ca. 20 cm vereinzeln. Falls man ihn noch vermehren möchte geht auch eine Wurzelteilung im Frühjahr. Beachtet man die Bedürfnisse dieser schönen Pflanze , so hat man seinen betörenden Duft und seine elfenhafte Anmut viele Jahre im eigenen Garten. Trotzdem sollte man sich hin und wieder in die Natur begeben und die wertvollen Heilpflanzen vor Ort besuchen.
Leider habe ich kein besseres Foto, aber ein häufiger Begleiter des Waldmeisters (links) ist der Aronstab. Die Blüte auf dem Foto ist schon fast verblüht, aus ihr entwickelt sich der Rispenförmige Samenstand mit seinen auffallend roten Beeren (giftig!)
Der Waldmeister war immer ein Liebling der Volksheilkunde. Schon seine volkstümlichen Namen wie Herzfreude, Sternleberkraut, Halskräutlein, lassen z. T. auf seine Verwendung schließen. Schon im Mittelalter wurde er gesammelt und gezüchtet um ihn den Spiritusgetränken und dem Tabak beizumischen. In der nordischen Mythologie wurden ihm magische Kräfte zugeschrieben. Im alten heidnischen Glauben war er heilig und erhielt erst später den christlichen Namen "Jungfrau Maria Kraut". In den Officien der alten Apotheken ist er dagegen nie aufgetaucht.
Als Heilkraut ist er heute so gut wie vergessen, nur die Maibowle ist in der Erinnerung vieler haften geblieben. Der Benediktinermönch Wandalbertus hat im Jahre 854 ein Rezept hinterlassen, in dem er schreibt: "Schüttle den perlenden Wein auf das Waldmeisterlein." Unter den alten Namen taucht das Waldmütterlein auf, was vermuten lässt, dass es in früheren Zeiten ein Frauenkraut war. Und richtig, der Waldmeister zählte zu den Kräutern des "Mariae Bettstroh". Diese Bezeichnung geht auf eine vorchristliche Sitte zurück, wobei Gebärenden und Wöchnerinnen die Kissen und Matratzen mit diesen Kräutern gestopft wurden um die Geburt und das Wochenbett zu erleichtern. Man wollte die Frau und das Kind vor schlechtem Einfluss schützen und die beiden stärken. Manchmal wurde der Waldmeister den Gebärenden sogar um die Waden gebunden. Der getrocknete Waldmeister im Kissen brachte der Frau guten Schlaf und er stärkte die Herzen von Mutter und Kind. Seit langer Zeit wird der Waldmeister auch in kleinen Säckchen in den Kleiderschrank gehangen, wo er die Motten vertreibt und er auch noch wunderbar
duftet.
Heilwirkung
Der Waldmeister hat es nicht immer ganz leicht gehabt in der alten Kräuterheilkunde. Wurde er noch im Mittelalter geschätzt, gesammelt und auch gezüchtet, so galt er in späteren Zeiten als krebserregend, was neuere Untersuchungen allerdings widerlegt haben. Das klingt überzeugend, da der menschliche Körper gar nicht in der Lage wäre jene hohen Dosen des Krautes zu konsumieren, in denen er gesundheitlich bedenklich wäre.
Der Waldmeister hat eine krampflösende, anregende und harntreibende Wirkung, und außerdem stärkt er das Herz. Daher verschafft er uns Linderung bei nervöser Gereiztheit, Überbelastung, ebenso bei Herzklopfen und unregelmäßigem Puls. Auch bei Krämpfen steht er uns mit seiner beruhigenden Wirkung zur Seite. Hierfür wird ein Aufguss von zwei TL des getrockneten Krautes auf zwei Tassen Wasser empfohlen, den man über den Tag verteilt trinkt. Der reine Waldmeistertee wird kalt angesetzt und über Nacht ziehen gelassen.
In der Volksmedizin wurde er bei Blasensteinen (weil harntreibend), Unterleibsentzündungen und als ein mildes Beruhigungsmittel empfohlen. Auch fand er Anwendung bei Nervosität und Angstzuständen, aber auch bei Migräne. Für Letzteres wurde folgende Teemischung empfohlen: 2 Teile Waldmeister, 1 Teil Lavendelblüten, 1 Teil Thymian und 2 Teile Schlüsselblumenblüten. Eine weitere Teemischung, die der Durchblutung der Venen dient, ist folgende: 30 gr. Steinkleekraut, 20 gr. Waldmeister, 20 gr. Rosskastanienblüten, 10 gr. Arnikablüten und 10 gr. Ringelblumenblüten. Außerdem empfiehlt es sich das Waldmeisterkraut solchen Tees beizumischen, die uns bei Magenschmerzen, Koliken und einer schmerzhaften Regel Linderung verschaffen sollen.
Wegen seiner harntreibenden Wirkung wirkt er anregend auf Blase und Nieren und er ist bei Lebererkrankungen mit Wasseransammlungen hilfreich. Äußerlich findet der Waldmeister Anwendung bei eitrigen Wunden, Ausschlägen und Geschwüren. In früheren Zeiten wurde das Kraut bei Kopfschmerzen einfach auf die Stirn gebunden. Der gute, alte Pfarre Kneipp empfahl ihn besonders bei Leibscherzen.
Bei den hier aufgeführten Dosierungen kann uns der Waldmeister recht hilfreich bei den entsprechenden Beschwerden sein. Allerdings sollte er nicht überdosiert werden, da er uns auf Grund des Cumarin`s Kopfschmerzen, Schwindelgefühl und Übelkeit bescheren kann. Überschreitet man die heilende Dosis, so erzeugt er gerade die Krankheitssymptome, die er eigentlich heilen soll. Wieder einmal: Die Dosis entscheidet ob uns etwas gut tut oder nicht.
Wichtig ist allerdings, dass er nicht zusammen mit blutverdünnenden Medikamenten, wie ASS oder Marcumar, eingenommen werden sollte, da er die Blutgerinnung vermindert. In diesem Falle besprechen Sie sich bitte mit Ihrem behandelnden Arzt oder Heiler.
Räuchern
So wie der Waldmeister im Frühling unsere ganzen Sinne beflügelt und uns in ein Feenreich entführt, so kann man sich diese Stimmung auch in sein zu Hause holen. Er harmonisiert und schafft eine friedvolle Atmosphäre, er stimmt uns fröhlich und macht uns ausgeglichen. Wenn man einen Neuanfang vor sich hat, wie z.B. bei einem Umzug, lässt er uns schneller heimisch werden und schafft Geborgenheit. Waldmeister sensibilisiert unsere Wahrnehmung und schafft eine sinnliche Stimmung, was in dieser Zeit der Getriebenheit sehr hilfreich sein kann. Er eignet sich auch für eine Danksagung, die man immer wieder mal für das Leben an sich und für Mutter Erde und Vater Kosmos in das Universum schicken sollte. Man kann ihn allein oder in Mischungen verräuchern, je nachdem, was man erreichen will.
Verwendung in der Küche
Wer kennt nicht die legendäre Maibowle, oder hat zumindest von ihr schon einmal gehört. Die Würze und den typischen Geschmack vermittelt diesem, schon sehr alten traditionellen Getränk, wie könnte es anders sein, der Waldmeister. Sammeln Sie hierfür ein Sträußchen des Waldmeisters vor der Blüte und lassen Sie ihn ein paar Stunden anwelken. Dann hängen Sie ihn in ein Bowlegefäß oder einen Krug und füllen mit einer Flasche Weißwein (Riesling) auf. Lassen Sie das Ganze zwei Stunden kühl ziehen. Inzwischen lösen Sie zwei EL Zucker in etwas Wasser auf und fügen dies dem Ansatz zu. Nun wird noch mit einer Flasche Sekt aufgefüllt, wohl bekomm's. Man kann hier auch Apfelsaft und Mineralwasser verwenden und dies mit einer Prise Zimt noch etwas aromatisieren. Dies ist dann die alkoholfreie Variante.
Wir stellen auch jedes Jahr Waldmeistersirup und -gelee her. Dazu lässt man ihn wieder einige Stunden anwelken. Sie benötigen: 50 g Waldmeister für 1 Kg Zucker, 100 g Ascorbinsäure und 4 Liter Wasser für den Sirup. Der Zucker wird in dem Wasser vollkommen aufgelöst, dann gibt man die Säure und den Waldmeister hinzu und lässt alles 3 Tage ziehen. Anschließend wird die Flüssigkeit durch ein Leinentuch abgeseid, noch einmal kurz aufgekocht und in saubere Flaschen abgefüllt. Damit kann man nun nach Herzenslust die verschiedensten Leckerein aromatisieren und verzaubern, wie z.B. die bekannte Götterspeise. Und sein Sie nicht traurig wenn Ihr Sirup nicht diese knallig, grüne Farbe aufweist wie wir sie von den käuflichen Produkten her kennen: Diese ist lediglich auf die künstlichen Farbstoffe zurückzuführen.
Ich lege sehr starken Wert auf die Feststellung, dass alle hier erwähnten medizinischen Therapievorschläge der alten, traditionellen Kräuter- und Pflanzenheilkunde entstammen und auf keinen Fall als meine persönlichen Therapie- und Behandlungsvorschläge zu verstehen sind! Sollte ein Leser dieses Artikels trotzdem von den hier erwähnten medizinischen Vorschlägen Gebrauch machen, so tut er dies in seiner alleinigen Verantwortung, bzw. im Vertrauen auf altes Kräuterwissen. Bei längeren, unklaren Beschwerden sollte man immer einen Arzt seines Vertrauens hinzuziehen.
Nun wünsche ich allen Lesern meiner Artikel eine wunderschöne Frühlingszeit, nutzt die Sonnentage, denn sie läßt sich in letzter Zeit nicht so häufig am Firmament sehen.
Eure
Ulrike Beschow