Die Abgeschnittenheit von der Natur
Auszug aus unserem Buch "Auf dem Wege zum grünen Volk".
Ulrike Beschow und Eckhard Gabler-Beschow
08.10.2020
Wir leben heute in einer modernen, zivilisierten Welt, die uns allen Wohlstand, Sicherheit und Fortschritt verheißt. Zumindest jenen, die das Glück hatten, auf dieser Seite der Weltkugel geboren zu sein und die über genügend Kraft verfügen, um nicht von dem rasanten Tempo dieser Maschinerie überrollt zu werden. Wenn wir uns den Begriff der Zivilisation einmal anschauen, so werden wir schnell feststellen, dass die Natur in ihm nicht vorgesehen ist. Er stammt von dem lateinischen civis = Bürger ab und bezog sich anfangs auf die Stadtbürger Roms. Zivilisation bezeichnet die Lebensbedingungen, die durch den Fortschritt von Wissenschaften und Technik geschaffen und von Politik und Wirtschaft getragen werden. Im 18. Jahrhundert wurde die Idee der Zivilisation als Gegensatz zur Barbarei betrachtet. Somit wurden die nichteuropäischen Gesellschaften als unzivilisiert gewertet.
Die Lebensbedingungen des Menschen in dieser zivilisierten Welt haben sich in den letzten hundert Jahren wesentlich schneller verändert, als in tausenden von Jahren zuvor. Die Menschen in früheren Zeiten lebten weitgehend in harmonischer Anpassung an ihre Umgebung, die Natur. Das enorme Tempo der Veränderungen in den letzten Jahrzehnten machte eine genügende Anpassung an die neuen Lebensumstände schwer bis unmöglich. Es fanden umwälzende Veränderungen in allen Bereichen der menschlichen Gesellschaft statt. Über 99 % seiner Existenz verbrachte der Mensch in anderen Lebensformen. Die Verbundenheit mit der Natur, das Leben in und mit ihr, war vor gar nicht einmal vielen Generationen der alltägliche Normalzustand.
Heute bestimmen oft Hektik, Karriere- und Sicherheitsdenken, Zeitdruck, Erfolg und Wachstumsraten unseren Alltag und somit unser Leben. Fast schon zwanghaft muss alles schneller, größer, bequemer, neuerdings auch billiger (nicht preiswerter!) werden, denn Geiz ist ja so geil. Die Orientierung des modernen Menschen ist meist nach vorne gerichtet und seine Wertvorstellungen auf materielle Dinge fixiert. Die Zivilisation benötigt für ihr Funktionieren den Menschen, der in ihrem Sinne geformt, genormt und gefügig ist, der sein Handeln auf Sicherheiten, Absicherungen und den Erhalt des Wohlstandes ausrichtet. Dies sichert den Konsum, der einer der tragenden Säulen des Systems ist. Wie ein Selbstläufer müht sich dieses auf Gedeih und Verderben am Leben zu bleiben, obwohl es lediglich einer kleinen Schicht Vorteile, Macht und Vermögen bringt. Das Wachstumsstreben ist dabei die treibende Kraft, denn schon Stillstand wird als Rückschritt definiert. Auf der Strecke bleiben dabei die individuellen Freiheiten und die Natur. „Die Menschheit droht an sich selbst zu ersticken, ihre edelsten und am differenziertesten Eigenschaften und Fähigkeiten lösen sich im Verlaufe einer Kulturerkrankung auf“, formulierte es Konrad (Lorenz)
Bei all den Annehmlichkeiten, (Schein-)Sicherheiten und dem Wohlstand, die/den wir auf unserem Weg mit dem bedingungslosen Fortschritt erhalten haben, wird doch immer offensichtlicher, dass wir dabei auch Vieles verloren haben, was nicht ohne Schaden für die gesamte Menschheit und auch für den Einzelnen geblieben ist. Der Preis, den immer mehr Menschen dafür zahlen, ist sehr hoch: Krankheiten, physischer und psychischer Natur, Sinnleere, Arbeitslosigkeit, Ausbeutung und die Verarmung immer größerer Bevölkerungsschichten. Wir haben uns weit von der Natur entfernt, uns ihr gegenüber entfremdet und somit den Bezug zu unseren Wurzeln, unserem Ursprung verloren. Das Wissen um die Heilkräfte der Pflanzenwelt haben wir an multinationale Pharmakonzerne abgegeben und den Bezug zu unserer Nahrung, den Gaben von Mutter Erde, überließen wir stets einer expandierenden und ausufernden Nahrungsmittelindustrie, die eng mit der chemischen Industrie verwoben ist. Die Kommunikation, das gesellige Beieinandersein, übergaben wir Handyproduzenten und „sozialen“ Netzwerken und reduzierten sie auf WhatsApp- Niveau. Im Moment sind wir gerade dabei, unseren Orientierungssinn an Navigationsgeräte abzugeben. Das Erlesen von Landkarten wird wohl nur noch in sehr wenigen Schulen dieses Landes gelehrt. Stattdessen wird unseren Kindern das Ausfüllen von Hartz- IV- Formularen erklärt. Die These, dass wir mit unseren Mitmenschen und unserer Umwelt so umgehen wie mit uns selbst, scheint sich zu bewahrheiten. Je künstlicher unser Umfeld wird, desto künstlicher wird auch unsere Nahrung, unsere Freizeit, unser Miteinander. Der Ausspruch von Ludwig Feuerbach2, „Der Mensch ist was er isst“, findet gerade in diesen Zeiten seine Bestätigung aufs Neue.
Alle diese Entwicklungen in den letzten hundert Jahren gingen einher mit einer immer größer werdenden Entfremdung des Menschen von der Natur. Ihre mannigfaltigen Erscheinungsformen, die Faszination ihrer Einzigartigkeit, ihre Ursprünglichkeit, ihre Nähe und Verbindung zum Göttlichen, die alle Kulturen einst lebten und pflegten, all dieses ist in der modernen, fortschrittlichen Weltanschauung auf einen materiellen Wert reduziert worden. Dadurch, dass sich der Mensch von der Natur abhob, sich über sie stellte und sie sich Untertan machte, unterbrach er auch zwangsläufig seine Verbundenheit zu ihr. Gemeint ist hiermit eine Verbundenheit, die auf Augenhöhe lebt, die auf Achtung und Achtsamkeit basiert, die ihre Wurzeln im Herzen trägt und nicht ausschließlich im Kopf. Jene Verbundenheit, die danach fragt, was gibst du mir, was kann ich dir zu meinem Nutzen entnehmen, ist als solche nicht zu bezeichnen, sondern bestenfalls als eine einseitige Geschäftsbeziehung.
Immer mehr Menschen heutzutage werden sich des Verlustes an dem Bezug zur Natur auf schmerzliche Art und Weise bewusst. Sei es die Sorge um die Zerstörungen ihrer Umwelt mit allen ihren denkbaren Konsequenzen, sei es die Sorge um ihre Kinder, sei es die Sorge um ihr eigenes Wohlergehen oder die Sorge in dem wahnwitzigen Tempo der heutigen Zeit einfach nicht mehr mithalten zu können. Die Seelenlosigkeit der neuen, künstlichen Welt produziert neue Leiden und schafft immer neue Krankheitsbilder, die wiederum neue, künstliche Arzneien zu erfordern scheinen. Doch die Zahl derer, die die Mechanismen dieses Hamsterrades durchschauen, wird glücklicherweise immer größer. Das Bewusstsein vieler Menschen scheint in Bewegung zugeraten, und dies gibt Anlass zur Hoffnung. Immer mehr Menschen erahnen, dass wir uns auf einem Irrweg befinden und uns in eine Sackgasse manövriert haben. Sie spüren, dass etwas Elementares verloren gegangen ist, was in Zusammenhang mit einer großen inneren Leere steht, die sich in uns auszubreiten scheint. Vieles von dem, was da fehlt, hat uns einst die Natur, Mutter Erde, gegeben, und sie hält ihre Gaben immer noch für uns bereit. Noch bietet sie uns ihre Heilkräfte und Nahrung an, wie eine liebende Mutter, die ihren Kindern deren Fehlverhalten verzeiht. Immer noch schenkt sie uns Erholung, Erfrischung, Lebenskraft und –sinn, Schönheit und Faszination, zumindest jenen, die bereit sind sich diesen Gaben gegenüber zu öffnen, sie wahrzunehmen und ihnen mit Achtsamkeit begegnen.
Diese Schritte muss allerdings jeder für sich selbst gehen; Wegweiser gibt es genügend. Jeder lebt in Eigenverantwortung für sich selbst und sein Wohlbefinden. Er entscheidet somit selbst, ob er in den Erstarrungen, die die Scheinsicherheiten der Zivilisation mit sich bringen, verharren oder ob er sich auf einen neuen, alten Weg aufmachen möchte, der da Lebensfreude und –sinn und Heilung für Körper und Seele verspricht. Es handelt sich dabei um Entscheidungen, die weit reichende Konsequenzen sowohl für die Zukunft des Einzelnen, als auch für die des ganzen Planeten haben können, denn ein jeder von uns trägt nicht nur die Verantwortung für sein eigenes Schicksal, sondern auch Mitverantwortung für seine Umwelt und das, was um ihn herum geschieht. Es geht dabei um Entscheidungen wie: Vertraue ich meine Gesundheit einzig den Produkten der Pharmaindustrie an oder beziehe ich die Heilkräfte von Mutter Erde mit ein, was bei Alltagsbeschwerden auf jeden Fall zu empfehlen ist. Beziehe ich meine Nahrung lieber von Mutter Erde oder von McDonalds? Richte ich den Focus meiner Wertschätzung lieber auf den Stand meines Bankkontos oder auf das, was mein Herz mir rät? Überlasse ich meinen Lebensweg meinem Bauchgefühl oder verlasse ich mich lieber auf ein Navigationsgerät? Suche ich meine Erholung draußen in der Natur oder lieber vor dem Fernsehgerät? Treffe ich meine Überzeugungen unter dem Einfluss der beherrschenden Medienkonzerne oder lasse ich mich lieber von den Stimmen der Natur inspirieren? Die Freiheit darüber zu entscheiden obliegt jedem selbst, aber Freiheit bedeutet auch Verantwortung zu übernehmen.
Es bieten sich uns zahlreiche Möglichkeiten an, die Verbindung zur Natur wieder herzustellen. Wir sollten uns darum bemühen, uns wieder verstärkt und bewusst einem Leben im Einklang mit der Natur zuzuwenden. Sicherlich werden wir den ursprünglichen Zustand, so wie unsere Vorfahren ihn erlebten, nicht mehr wiederherstellen können. So einiges an altem, überliefertem Wissen kann uns dabei durchaus hilfreich sein, aber letztlich müssen wir unseren eigenen, neuen Weg im Hier und Jetzt finden. Gerne teilen wir Ihnen in diesem Buch unsere eigenen, gemachten Erfahrungen mit, von denen die eine oder andere für Sie vielleicht hilfreich sein kann. Es würde uns freuen, denn ein Leben mit der Natur ist auch ein Weg zu sich selbst und zu Gott (was immer auch der Einzelne von Ihnen damit verbinden mag).
1 Konrad Lorenz, 1903 – 1989, österreichischer Zoologe, Hauptvertreter der klassischen vergleichendenVerhaltensforschung (Ethologie).
2 Ludwig Feuerbach, 1804 – 1872, Philosoph und Anthropologe.
„Wenn an vielen kleinen Orten
viele kleine Menschen
viele kleine Dinge tun
wird sich das Angesicht der Erde wandeln“
afrikanisches Sprichwort
Gudrun (Dienstag, 03 November 2020 05:48)
Die Abgeschnittenheit von der Natur lässt sie uns auch verkennen oder sogar fürchten. Wir brauchen sie zum Leben aber wir behandeln sie wie unseren Feind. Mähexzesse, Gifte versprühen, zubetonieren, um nur einige Beispiele zu nennen.