Windkraft und Vogelschlag
Text und Foto : Gudrun Kaspareit
Quelle: https://energiewende.eu/windkraft-vogelschlag/
ee mag europaeische energiewende
26.09.2021
Windkraft und Vogelschlag
Dies ist vor allem unter Vogelschützern ein ewiges Thema. Klar können Windkraftanlagen Vögeln schaden. Klar aber auch, dass ohne Windkraft es bald kaum noch Natur und damit auch keine Vögel mehr gibt. Das sind die Folgen des Klimawandels.
Unseren Vögeln geht es schlecht. Hauptschuld daran hat die Moderne Landwirtschaft, welche die Insekten tötet und somit das Futter der Meisten Vögel eleminiert. Zudem werden Flächen auf denen Vögel brüten zu früh und zu häufig gemäht.
Lässt man nun die Landwirtschaft mal außen vor und betrachtet die übrigen Faktoren für das Vogelsterben getrennt, ergibt sich folgende Statistik:
Durch Straßen- und Bahnverkehr sterben pro Jahr ca. 70 Millionen Vögel.
Glasscheiben töten zwischen 18 und 115 Millionen Vögel.
Durch Hauskatzen sterben zwischen 20 und 100 Millionen Vögel.
Legale und illegale Jagd tötet jährlich zwischen 1,2 und 25 Millionen Vögel.
Durch Stromleitungen kommen zwischen 1,5 und 2,8 Millionen Tiere pro Jahr ums Leben.
Das Usutu-Vogelvirus tötet jährlich 160.000 Amseln.
Und 100.000 Vögel werden von Windenergieanlagen erschlagen.
Der Kampf für die Vögel findet also an vielen Fronten statt.
Um mehr Klarheit zu gewinnen, gibt es im Wesentlichen fünf verschiedene Studien unterschiedlicher Qualität:
Ein Verbundprojekt für das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit von 2010. Es untersucht sehr detailliert und umfangreich die drei Arten Rotmilan, Wiesenweihe und Seeadler. Die Datenquelle zu Anzahl getöteter Vögel sind vor allem Zufallsfunde.
Das Helgoländer Papier in der Neufassung von 2015, welches von der Ländergemeinschaft der Vogelschutzwarten verfasst wurde, und für jede mögliche betroffene Vogelart Mindestabstände von bestätigten Vorkommen der jeweiligen Art definiert, innerhalb derer keine Windenergieanlagen errichtet werden sollten, um Schlagopfer zu vermeiden. Außerdem werden Monitoringabstände um die Vorkommen definiert, innerhalb derer die konkreten Flugbewegungen untersucht werden sollen.
Die PROGRESS-Studie von 2016, die 12 Wochen lang systematisch an 568 Windenergieanlagen nach Schlagopfern suchte. Hierdurch konnte die relative Häufigkeit der betroffenen Arten ermittelt werden, außerdem wurde nachgewiesen, dass ein populäres Prognosemodell für die Kollisionsgefahr, das sogenannte Band-Modell (nach einer Studie von W. Band von 2007) das Risiko nicht richtig abschätzen kann. Kritik gab es an den Hochrechnungen der gefundenen Opfer auf die geschätzte Gesamtzahl von Opfern in Deutschland, da sämtliche im Umkreis der Anlagenhöhe gefundenen Vögel als Schlagopfer gewertet wurden, ohne ihre spezifische Todesursache zu klären.
Eine Untersuchung für den Kreis Paderborn, die darlegt, dass die Rotmilanpopulation im Kreis Paderborn parallel zum Ausbau der Windenergie zunahm. Hier kritisiert der NABU die Verwendung
unvollständiger Daten.
Eine Studie zur Bestandsentwicklung, die nachzuweisen versucht, dass sich Rotmilane aus Gegenden mit höherer Dichte von Windenergieanlagen zurückziehen und stattdessen in Gebieten mit
geringerer Dichte ansiedeln.
Durch Windenergie betroffene Arten sind im Wesentlichen, Enten, Möwen, Tauben und Bussarde. Der Rotmilan kommt erst an 13. Stelle. Seeadler und andere Greifvögel sind oft überpräsentiert. Manchmal tauchen die selben Tiere an mehreren aufeinander folgender Tagen auf. Leider wurden Beweisfotos nicht verlangt.
Entscheidend für die Beurteilung der Fundhäufigkeiten ist natürlich der Bestand. Je häufiger eine Art vorkommt, desto häufiger sollte man Anflugopfer erwarten. Tatsächlich ist es aber nicht so, die Untersuchungen kommen zu dem Schluss, dass das Verhalten der Vögel bezüglich der Anlagen die entscheidende Rolle spielt. So umfliegen Gänse und Kraniche die Windparks, während Greifvögel kaum Ausweichverhalten zeigen, und teilweise mitten durch die sich drehenden Flügel fliegen. Auch Tauben halten sich vorwiegend im Gefahrenbereich auf. Der Schwarzstorch ist zwar mit nur 650 – 750 Brutpaaren in Deutschland extrem selten, aber es verunglückten bis 2015 nur 2 Tiere, und die Bestandsentwicklung ist parallel zum Ausbau der Windkraft positiv, so siedelten sich z.B. im Rhein-Hunsrück-Kreis in den letzten 15 Jahren ca. 9 Schwarzstorchpaare an währenddessen 297 Windenergieanlagen errichtet wurden. Wanderfalken brüten bei entsprechendem Angebot an Nistkästen sogar direkt am Mast und durchfliegen die Flügel ohne Verluste. So ein Projekt ist auch mir hier in Holstein bekannt.
So ist es korrekt, sich auf den Rotmilan zu konzentrieren,. Er meidet Windparks nicht und zum anderen ist sein Bestand nicht sehr groß, bundesweit brüten nur 2.000 – 18.000 Paare. Leider gibt es für den Seeadler kaum Erhebungen. Für den Bussard ergibt sich ein Verlust durch Windräder von 7%.
Die PROGRESS-Studie konnte indes nachweisen, dass tatsächlich die Verschleppungsrate von toten Vögeln durch Raubtiere mit <10% sehr viel geringer ist als üblicherweise angenommen, dass also Hochrechnungen, die von einer hohen Dunkelziffer ausgehen, nicht korrekt sind. Dies wurde ermittelt, indem verschiedene tote Vögel ausgelegt wurden, und einen Tag später vom Suchteam gesucht und gefunden wurden.
Die Studie von Katzenberger zeigen deutlich, dass sich die Vögel aus dem Osten Deutschlands tendenziell zurückziehen, und dafür vor allem in Baden-Württemberg ansiedeln. Sie weichen den Windanlagen also aus. Erstaunlich ist dabei aber, dass nur wenige Vögel in Bayern ansiedeln, obwohl dort die WEA-Dichte eher gering ist, teilweise gehen die Bestände dort trotz fehlender Windräder sogar zurück. Demgegenüber bleiben die Bestände in den Regionen mit der höchsten WEA-Dichte nahezu stabil , wogegen sie in benachbarten Regionen mit geringer Dichte abnehmen. Dies ist eine interessante Schlußfolgerung.
Es wäre daher interessant zu untersuchen, welche anderen Einflussfaktoren auf den Bestand des Rotmilans existieren. Beispielsweise könnte ein erhöhter Pestizideinsatz im Osten Deutschlands für
einen Rückgang des Nahrungsangebotes gesorgt haben, oder besondere Schutzprogramme den Bestand stabilisieren.
Insgesamt geht die Brandenburgische Landesregierung (sogar auf Basis der erhöhten Fundzahlen in der zentralen Fundkartei) von einem sehr geringen Einfluss von Windenergieanlagen auf den Bestand
des Rotmilans aus. Der Bestand ist seit 1996 ist im Rahmen natürlicher Bestandsschwankungen im relativen Mittel stabil, und bei 6 Kollisionen pro Jahr bei 3.400 erwachsenen Milanen ist dies eine
Quote von 0,18%.
Also von Vogelschredderern kann bei WKA kaum die Rede sein. Dennoch ist jeder tote Vogel einer zuviel.
Entscheidend für den Aufenthalt von Greifvögeln, insbesondere von Rotmilanen im Bereich eines Windparks ist die Verfügbarkeit von Beutetieren. Wenn außerhalb des Parks das Gras oder Getreide hoch steht, können die Vögel ihre Beutetiere nicht entdecken. Daher werden gerne Bereiche mit niedrigem Bewuchs im Umfeld der Anlagen angeflogen, dazu zählen auch geschotterte Flächen, denn auf diesen sind eventuelle Beutetiere leicht erkennbar. Daher sollten innerhalb des Windparks keine Kulturen angebaut werden, die zur Brutzeit des Milans gemäht werden müssen, und die Brachflächen am Mastfuß sollten so klein wie möglich sein und vor Ende Juli weder gemäht noch umgebrochen werden. Außerdem sollten zu Zeiten der Mahd die Anlagen abgeschaltet werden.
Wenn umgekehrt in der Nähe des Windparks Flächen gemäht werden, halten sich die Vögel mit Vorliebe dort auf und haben keine Notwendigkeit in den Windpark zu fliegen. So ist es z.B. möglich ein ausreichend großes Feld in Abschnitten täglich zu mähen, so dass immer neue Freiflächen entstehen, die für die Vögel attraktiv sind und sie so vom Windpark fernhalten.
Eine statische Abstandregelung ist dagegen nicht sinnvoll, da zum einen die Brutplätze variieren, zum anderen sich der Jagdbereich nicht kreisförmig um den Brutplatz erstreckt, sondern je nach Attraktivität der Flächen sehr unterschiedlich sein kann. Es ist daher eine Raumnutzungsanalyse notwendig, die erfasst wo potentielle Nahrungsgebiete liegen und die Flugbewegungen kartiert.
Als weitere Maßnahmen kommen radar- oder kamera-gestützte Vogelüberwachungssysteme in Frage, die die Anlagen bei Annäherung abschalten oder anders gefärbte Flügel, denn aktuelle Forschungen legen nahe, dass Vögel die Rotoren eher als Hindernis wahrnehmen, wenn einer der Flügel auffälliger gefärbt ist.
Man muss festhalten, dass der Fokus auf den Rotmilan durch Gegner der Windenergieanlagen durchaus nicht dem Zweck dient, diesen wunderschönen Vogel zu schützen, sondern vorgeschoben ist, um die Anlagen zu verhindern. Dies wird vom Vorsitzenden von Vernunftkraft Rheinland-Pfalz auch offen zugegeben.
Umgekehrt befürworten Vogelschutzexperten den Ausbau der Windkraft, weil natürlich auch sie sehen, dass der Verlust von Lebensräumen durch den Klimawandel weitaus schädlicher für die Vogelwelt ist, als die potentiellen oder tatsächlichen Schlagopfer.
Quellen:
NABU. Vogelsterben nimmt dramatische Ausmaße an. Berling : Naturschutzbund Deutschland, 2016. https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/landnutzung/landwirtschaft/artenvielfalt/vogelsterben/index.html.
Update.
Es gibt eine neue sehr aufschlussreiche Studie.
Die häufig als Grund für Klagen gegen den Bau von Windkraftanlagen vorgebrachte vermeintliche Gefährdung des Rotmilan besteht nach dem Zwischenergebnis eines EU-Forschungsprojekts nicht. An einem Windrad zu sterben, sei für den Greifvogel "ein äußerst seltenes Ereignis, wirklich extrem selten"
Hier bitte weiterlesen:
https://www.tagesschau.de/inland/studie-rotmilan-windkraftanlagen-101.html
Eva Schmelzer (Freitag, 15 Oktober 2021 16:29)
Vielen Dank für diesen aufschlussreichen und sehr ausführlichen Bericht, der mir (und sicher vielen anderen auch) Klarheit in der Stellung zu Windrädern gebracht hat. Ich hatte ehrlich gesagt bislang keine klare Meinung zu diesem Thema.
Barbara Altun (Freitag, 15 Oktober 2021 13:29)
Vielen Dank für den interessanten Artikel!