Die Fridaye for Futur Kids
Text: Jürgen Staab
Fotos: Gudrun Kaspareit
Heute bei FFF Frankfurt auf der Demo. Die jungen Leute tun mir leid...
Es macht sich eine gewisse Sprachlosigkeit breit. Prof. Welzer, der bereits 2006 vor Klimakriegen gewarnt hatte, wurde kürzlich gefragt, was er denn zu dem Angriffskrieg Putins sage. Welzers
Antwort: "Meinen beiden Katzen geht es eigentlich ganz gut".
Hegel: "Aus der Geschichte lernen wir, dass wir aus der Geschichte nichts lernen."
Trotzdem: Die Jugend ruft auch heute laut nach Erneuerbaren Energien.
In Gesprächen mit Älteren und Alten bestätigen wir uns gegenseitig die Bankrotterklärung.
Interessant ist, dass ich unterschiedlich argumentiere.
Bei den Jungen ist das Glas halbvoll, bei den Alten (halb)leer.
Der Frust ist spürbar.
Auch war die Bewegung noch im letzten Jahr weitaus stärker.
Die Energiewende wird bei den Jugendlichen entfesselt, bei den Alten macht sich Unmut über die Untätigkeit der letzten Jahrzehnte Luft.
Allianz und Deutsche Bank investieren wieder stark in fossile Energien. Der Preis ist schließlich hoch und die nächste Generation mit ihren Bedürfnissen weit weg.
Profit auf Kosten der nächsten oder soll man sagen, letzten Generation? Scheißegal, denken die sich vermutlich, denn Geld regiert die Welt, oder so... Nicht gezahlte Steuern erstatten lassen,
weil eine Gesetzeslücke dies anfänglich hergab, wird als Kavaliersdelikt gesehen. Ex und hopp, oder "cum und ex".
Einige Banker in Frankfurt beobachteten das Demo-Treiben eher amüsiert. Wie, wenn man im Zoo die Affen betrachtet. Fragt sich nur, wer die Affen sind...
Immerhin haben die Kids für ein paar Minuten eine Straße blockiert. "FFF meets extinction rebellion". Mit Polizeigeleit. Ein wenig Anarchie muss sein. Aber die Banker in ihren Autos wollen nach
Hause... Nach kurzer Zeit wird gehupt und gestikuliert.
Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt, wie man so schön sagt.
Wir machen weiter...
Wir versuchen es...
Was bleibt einem anderes übrig?
Aber der Dramatiker Heiner Müller sagte doch: "Optimismus ist ein Mangel an Information".
Trotzdem:
Hoffnung auf ein baldiges Kriegsende.
Die Ernährungskrise ist weltweit in vollem Gange.
Am Horn von Afrika stirbt derzeit die Bevölkerung ganzer Landstriche aus.
Das geschieht weitgehend leise - keine Lobby...
Die einen ersaufen (Überschwemmung), die nächsten vertrocknen (Dürre), die übernächsten verhungern (Grund: Ukraine ohne Weizenexport).
Die Wasserkrise kündigt sich auch schon lange an.
Äthiopien staut den Nil. Ägypten wird sich wehren... Der nächste Krieg?
Oder es fliegen Bomben....
Habe das Gefühl, dass einigen Menschen die Lust auf Mord und Totschlag im Fernsehen vergangen ist.
Zuviel Live-Abschlachten mit Live-Angriffskrieg von alten weißen Männern.
Man denkt hier wieder an das Theodizee-Problem.
Wo bleibt die Folklore, wenn sich der Mensch vorzeitig verabschiedet? Zusammen mit den anderen Arten, die sich auch gerade in Raten verabschieden?
Die größte Gefahr dabei ist, das Vieles geräuschlos und von den Meisten unbeobachtet geschieht. Ein schleichender Prozess. Die Soziologen nennen den Gewöhnungseffekt dabei "shifting
baselines".
Das Gegenteil sind dann die Kippschaltereffekte oder "tipping points". Beispiel: Man schiebe ein Glas auf dem Tisch bis zum Rand und über den Rand hinaus. Wenn das Glas unten liegt, ist das Kind
dann schon in den Brunnen gefallen. Im nächsten post - hier bei der Genossenschaft - arbeitet Bolsonaro in Brasilien an einem der vielen weiteren Sargnägeln: Das Amazonasgebiet ist durch Rodungen
und Bergbau am Kipppunkt...
Dummheit stirbt nie aus, daher auch:
"Wer früher stirbt ist länger tot."
Ein Kalauer am Ende muss sein...
Ich wünsche ein nachdenkliches Wochenende.
Eva Schmelzer (Freitag, 15 April 2022 16:22)
Jürgen Staab hat die Probleme der Gegenwart und damit auch unserer Zukunft in brillantem Schreibstil wunderbar auf den Punkt gebracht und auch die genannt, die im Moment nur am Rande erwähnt werden – wenn überhaupt.