Wildpferde in Deutschland
Text: Gudrun Kaspareit
Fotos: Sven Bieckhofe
29.10. 2016
Amerika hat seine Mustangs, Australien die Brumbies, in der Mongolei leben die Przewalski-Pferde. Die ware in der Wildnis schon ausgestorben, aber man hat mit letzten Beständen aus Zoos eine neue Population aufgebaut und diese wieder ausgewildert.
Aber Deutschland? Ja, auch hier gibt es fast wilde Pferde. Die Dülmener Wildpferde. Das ist eine Ponyrasse, die völlig frei und ungebunden leben darf. Das Dülmener Pferd wurde erstmals 1316 erwähnt, doch die Trockenlegung von Mooren und fortschreitende Landwirtschaft ließen dem Pony kaum Lebensraum. Andere Wildpferdrassen sind ausgestorben, den Dülmenern wäre es ebenso ergangen, hätte nicht Herzog von Croy 20 dieser Ponys einfangen lassen und mit ihnen eine Zucht begründet. Um die Rasse klein zu halten und um Inzucht entgegenzuwirken, kreuzte er Exmoor-Ponys und polnische Koniks ein. Deshalb sind die Dülmener oft auch schokoladenbraun oder mausfalben.
Heute leben die Dülmener Wildpferde im Merfelder Bruch auf einem 350 Hektar großen Areal des Herzogs von Croy, fast völlig unbeeinflusst vom Menschen. Das heißt, kein Tierarzt, kein Geburtshelfer, kein Schmied, kein Zufüttern, außer in sehr strengen Wintern. Die Tiere leben, wie es ihrer Art zukommt in Familienverbänden und streifen auf der Suche nach Futter und Wasser umher.
Um zu gewährleisten, dass die Fohlen in der warmen Jahreszeit geboren werden, sind die Deckhengste nur von Mai bis September bei ihren Stuten. (Die Tragezeit beträgt 11 Monate)
Und einmal im Jahr, am letzten Maiwochenende, werden die wilden Pferde zusammen getrieben, um die einjährigen Hengste herauszufangen. Das ist nötig, da die Tiere nur ein begrenztes Areal zur Verfügung haben und sich nicht unendlich ausbreiten können. Auch gäbe es Keilereien unter den Hengsten, beim Kampf um die Stuten, vor allem, wenn diese nicht ausweichen können.
Die Fangaktion ist jedes Jahr ein großes Spektakel und zieht viele Schaulustige an, zumal die jungen Hengste sogleich versteigert werden.
Die Dülmener Wildpferde gelten als ausgesprochen robust und widerstandsfähig, sind dabei gutmütig, freundlich und bei entsprechender Behandlung ausgesprochen lernfähig. Sie sind sehr genügsam und gute Futterverwerter.
Im Merfelder Bruch finden sie ideale Lebensbedingungen vor. Durch den Wechsel von Heidelandschaft, Moor, Weide, Nadel- und Laubwald ist sowohl Schutz bei schlechten Wetterverhältnissen als auch abwechslungsreiche Nahrung vorhanden. So können die Pferde durchgehend in freier Wildbahn leben. Das Gebiet ist ein Naturschutzgebiet und auch die Pferde stehen unter strengem Schutz, da sie selten sind und als einzige unbeeinflusst von anderen Rassen leben. Deshalb muss ihre Art und das Gebiet, in dem sie leben genau so erhalten bleiben.
Die Hengste werden nur im Sommer zu ihren Familenverbänden gelassen und alljährlich werden die Herden zusammengetrieben, um die jungen Hengste puplikumswirksam mit bloßen Händen herausgefangen und zu versteigert. Das ist die einzige Gelegenheit, wo der Mensch in das Leben der Pferde eingreift und das auch nur, um eine Überpopulation zu verhindern.
Eva Schmelzer (Donnerstag, 03 November 2016 16:06)
Endlich mal ein Artikel, den man ohne Kloß im Hals lesen kann, in dem nicht von Naturfeindlichkeit oder gar Zerstörung die Rede ist! Wie geschickt, kaum merklich und behutsam sich bemüht wird, diese Pferde so autark und ursprünglich zu erhalten wie es eben in unserer Zeit überhaupt noch möglich ist, tut gut. Ein rundum schöner Artikel, die eindrucksvollen Fotos von Sven Bieckhofe machen die Freude darüber perfekt!