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Kanwan

Realsatire von Karl - Friedrich Weber

Text und Fotos: Karl Friedrich Weber

22.10.2015

Satire darf, aber muss nicht real sein - hier aber mal eine Realsatire ...

Woran erkenne ich einen toten Baum? Antwort: an dem weißen T auf der Rinde

Habitatbaum
(c) Karl-Friedrich Weber Stehendes Totholz

Es war schön heute morgen in der Landschaft ... warum nicht danach wieder ein wenig Realsatire?
Bleiben wir bei Kunst im Wald - hier das Ausweisen von Habitatbäumen im Forstamt Wolfenbüttel.

Da hat ein tüchtiger Forstmann vor vier Jahren im FFH-Gebiet Habitatbäume ausgewiesen, mit einem "H" gekennzeichnet und sogar eingemessen. Drei Jahre später muss schon einmal überprüft werden ... welche dieser Habiatbäume auch wirklich welche sind und stehen bleiben sollen. Die bekommen dann ein "X" - steht für Habiatbaum.
Die offenbar wegfallen sollen, bekommen kein "X". Vielleicht kommt der nächste auf die Idee, das "X" für einen wegfallenden Habitatbaum zu halten und ihn umsägen zu lassen. Aber zur Sicherheit haben wir jetzt Bäume mit einem "H" und einem "X", nicht etwa XXL, sondern frei übersetzt "HX". An so einem Baum kann sich nur noch ein ausgemachter forstlicher Dösbaddel vergreifen, und die gibt es bekanntlich in den Landesforsten nicht.

Ein richtiger Habitatbaum (mit einem X") sieht ohnehin ganz anders aus - nämlich wie auf dem zweiten Foto, rank und schlank, damit aus ihm noch mal etwas werden kann. Es muss ja nicht unbedingt ein Höhlenbaum werden. Weil es sich um ein FFH-Gebiet handelt, reichen zwei Bäume pro Hektar von diesem Kaliber, um als guter Strukturzustand (B) kartiert zu werden - jedenfalls in Niedersachsen, mit dem Segen der Fachbehörde für Naturschutz.

Markierter Baum
(c) Karl-Friwedrich Weber

Bleiben wir bei Realsatire und Habitatbäumen.

Der Baum auf dem folgendem Foto hat weder ein "H", noch ein "X" und schon gar kein "HX", sondern einen roten Strich. Das bedeutet, der soll weg. Er stand an einem Waldrand im FFH-Gebiet Dorm im Forstamt Wolfenbüttel, bis vor einigen Tagen. Jetzt liegt er - so wird ein Baum in Minuten zum liegenden Totholz, manchmal auch Energieholz.

Glücklicherweise ist das kein Habitatbaum, sondern eine uralte naturdenkmalwürdige Schneitelhainbuche. Aber für Naturdenkmale ist die Naturschutzbehörde des Landkreises zuständig und die will man überhaupt nicht gern im "eigenen" Wald sehen. Deshalb erfolgt Naturschutz der Landesforsten in "Eigenbindung".

Die Frage, warum dieser Baum gefällt wurde, stellt sich nicht - Verkehrssicherung kann es nicht sein, top gesund und acht Meter vom Waldweg entfernt - nein. Die einzige Gefahr bestand für die Forstwirte, die so einen Baum umsägen müssen.

Auch die Spaziergänger, die mir beim fotografieren begegneten, konnten die Frage nicht beantworteten und wirkten erst betroffen, dann empört.

Ich konnte sie beruhigen: Förster machen nie etwas ohne Grund, denn selbst Grundlosigkeit kann doch ein Grund sein. "Ich ging im Walde so für mich hin, um nicht zu suchen, das war mein Sinn ..."

Goethe hat 1813 seiner Frau dieses Gedicht gewidmet - man kann also durchaus etwas ohne Sinn und Verstand tun und trotzdem in der Tradition unserer besten Dichter und Denker stehen ...

Gefällte Schneitelbuche
(c) Karl-Friedrich Weber Gefällte Schneitelbuche

Ich gehe langsam weiter - allmählich fühle ich, wie die Toleranz für das schwindet, was ich sehe. Auch Satire hat ihre Grenzen, das hat selbst der Papst gesagt - und mit Goethe hat das wohl auch nichts mehr zu tun.

Förster können das nicht gewesen sein - denn die sind doch gut ausgebildet und haben ein riesiges Herz für ihren Wald. Die denken doch mit jeder Faser ihres Seins in ökologischen Kategorien und würden so einen Unsinn nie veranlassen.

Aber wer war es dann?

Außerdem gibt es in diesem FFH-Gebiet bisher weder einen mit der Naturschutzbehörde abgestimmten Pflege- und Entwicklungsplan, noch eine rechtskonforme Schutzgebietsverordnung. Was hier geschieht, ist also rechtswidrig. Schon aus diesem Grund können das keine Förster gewesen sein, denn das sind doch Beamte des Landes. Und die halten sich doch an geltendes Recht.

Schließlich haben sie unlängst sogar den Staatssekretär zu sich ins Forstamt geholt und ihm dabei ihre gute Arbeit vorgeführt (natürlich nicht ihn ... )

Irgendwann aber kommt selbst mir die Erleuchtung für den Grund, einen derartigen Habitatbaum zu fällen - er hat die Harmonie und Schlankheit des dahinter stehenden jungen Bestandes verstellt, der sich nun dem Naturbetrachter vom Waldweg aus in seiner ganzen Schönheit offenbart, gegliedert durch die Rückegassen für den Harvester.
Das ist Ästhetik pur - schließlich haben Forstämter auch die Aufgabe das Landschaftsbild nicht nur zu beachten sondern zu gestalten, damit sich die Waldbesucher, die nicht zum Beispiel auf einem forsteigenen Hochseilgarten herumturnen wollen oder sich nicht sicher auf einem Mountainbike-Parcours bewegen können, auch an schönen Waldbildern erfreuen können.

Unterlassen ist Mist - etwas Machen ist alles.

gefällter Baum
(c) Karl-Friedrich Weber
Kommentare: 2
  • #2

    Eva Schmelzer (Montag, 02 Februar 2015 15:31)

    Meisterlich geschrieben - nur eben leider REALsatire... Aber kaum jemand könnte sich so etwas Hanebüchenes ausdenken wie der Amtsschimmel.
    Es tut weh, die Fotos der (gesunden!), aber gefällten Schneitelbuche zu sehen. Bleibt sie wenigstens dort liegen? Ich habe gerade mal nachgelesen, dass Totholz ökologisch besonders wertvoll ist. Abgesehen von Insekten bietet es größeren Tieren die Möglichkeit, ihre Bauten und Nester anzulegen, und ist Lebensraum der Nahrung von Vögeln und anderen Wirbeltieren. Spechte zimmern ihre Bruthöhlen in morschem Holz. Diese Baumhöhlen werden, wenn die Spechte sie verlassen haben, von anderen Tieren als Nistplatz genutzt, so zum Beispiel von Eulen, Käuzen, Hohltauben, aber auch Siebenschläfern, Eichhörnchen und Baummardern. Auch eine Reihe von Fledermausarten dienen sie als Sommer- und Winterquartier. Auch verschiedene Amphibien und Reptilien suchen liegendes Totholz als Tagesversteck oder zum Überwintern auf. Dann wäre dieser Baum nicht ganz umsonst gestorben.

  • #1

    Hans-Dieter Wiesemann (Montag, 02 Februar 2015 01:25)

    Treffender als Karl-Friedrich Weber es am konkreten Fall hier publik macht, kann das keiner beschreiben, was in den deutschen Wäldern Land auf und Land ab gegenwärtig an der "Waldnatur" gesündigt wird. Gegen die Geld(tungs)gier aller beteiligten Fachverwaltungen und Fachpolitiker kann nur noch Volkes Zorn helfen. Was wollen wir denn noch alles an Verstößen gegen geltendes Naturschutzrecht geschehen lassen? Wir müssen an Stelle der geschundenen Natur schreien, schreien und schreien.