Wer schützt denn hier die Landschaft?
Texte und Fotos von Karl-Friedrich Weber "Waldwahrheiten"
Waldwahrheit hat über den Artikel der Braunschweiger Zeitung „Wer schützt denn hier die Landschaft?“ bereits am 06. April 2013 informiert und den Waldort Timmerlaher Busch westlich von
Braunschweig im Forstamt Wolfenbüttel der Niedersächsischen Landesforsten aufgesucht. Vorgefunden wurde einer der schönsten und ökologisch wertvollsten Eichenwälder der Region Braunschweig. Der
timmerlaher Busch ist intensiv genutzter Erholungswald vor allem der Bürger aus der Weststadt Braunschweigs. Seine Waldstrukturen sind im Vergleich anderer Eichenwälder der Umgebung einzigartig
und von großer ästhetischer Erlebniskraft. Deshalb wird er im Landschaftsrahmenplan der Stadt Braunschweig als Naturschutzgebiet vorgeschlagen.
Die Stieleichenaltbestände der Forstabteilungen 681a (6,4 Hektar) und 682a (8,6 Hektar) sind 170 Jahre alt. Ihre Zieldurchmesser in 1,30 m über dem Boden liegen bei 50 cm. Sie sind sowohl vom
Alter, als auch vom Zieldurchmesser zu jung für eine sog. Endnutzung. Die Nutzqualität ist gering. Dafür sind ihr Naturschutzwert wegen ihrer nischenreichen Baumstruktur, ihrer ausgeprägten
Strauch- und Krautschicht herausragend.
Diesen Wald als ein Kleinod zu behandeln, ist oberste Maxime für Forstleute im öffentlichen Bürgerwald des Landes – noch dazu unter einer neuen Landesregierung mit einem grünen Minister.
Das Merkblatt Nr. 38 der Niedersächsischen Landesforsten „Habitatbäume und Totholz im Wald“ aus dem Jahr 2000 sagt aus:
„2.7.3. Stehendes starkes Totholz einschließlich abgebrochener Baumstümpfe darf nicht genutzt werden, soweit waldschutzgesichtspunkte und die Verkehrssicherungspflicht dies nicht erforderlich
machen. In älteren Beständen ist eine Menge von etwa 5 Totholzbäumen pro Hektar eine Mindestzahl.
2..7.4 Liegendes starkes Bruch- und Totholz ist zu belassen, soweit die Begehbarkeit und Erschließung des Waldes dadurch nicht erheblich eingeschränkt werden. … „
Keines der ausschließenden Kriterien trifft zu für diesen Wald. Wohlgemerkt – dieses Leitbild gilt für alle Wälder der Landeswaldes, nicht nur für die Schutzgebiete.
Im Timmerlaher Busch wurden großflächig stehendes Totholz aus den Beständen entnommen, eine Praxis im Forstamt Wolfenbüttel der letzten Jahre, die selbst vor Schutzgebieten des Netzes Natura 2000
nicht halt macht. Den Alteichenbeständen werden systematisch und flächig die wesentlichen ökologischen Elemente entnommen und vermarktet. Der Mittelspecht ist eine streng geschützte Leitart
dieser Braunschweiger Wälder. Er ist als „Stocherer“ auf stehendes und liegendes Starktotholz existenziell angewiesen.
Nutzung von stehendem Starktotholz Forstamt Wolfenbüttel Abteilung 683b
In dem Bezugsartikel der Braunschweiger Zeitung geht es um einen Kahlschlag im Timmerlaher Busch, der den Bürger Tobias R. aus der Weststadt Braunschweigs empörte. Der Forstamtsleiter Peter
Rieckmann wies den erhobenen Vorwurf eines fehlenden Landschaftsschutzes zurück mit dem Argument, der Timmerlaher Busch sei zwar Landschaftsschutzgebiet, aber kein Naturschutzgebiet.
Deshalb würden Kleinflächen der forstwirtschaftlichen Nutzung unterzogen. In diesem Fall werde der Eichenbestand auf einer 0,8 Hektar großen Fläche verjüngt. „Das ist der normale Gang der Dinge“,
sagte er, wie der Redakteur Henning Thobaben berichtete.
Auf einer 0,8 Hektar großen Fläche werde der Eichenbestand verjüngt, sagte er. Er sagte nicht, dass die Fläche mit über 1,5 Hektar doppelt so groß ist. Er sagte auch nicht, dass außerhalb von
FFH-Gebieten nach LÖWE eine Verjüngung in 0,1 bis 0,3 Hektar großen Löchern gemäß Eichenmerkblatt Nr. 35 von 1997 „Der normale Gang der Dinge“ wäre.
Er sagte auch nicht, dass Kahlschläge von über 1,5 Hektar weder LÖWE-Konform, noch als ordnungsgemäße forstwirtschaftliche Nutzung zu werten sind, im Timmerlaher Busch schon gar nicht.
Er sagte auch nicht das der durchschnittliche Brusthöhendurchmesser laut Forsteinrichtung in diesem Bestand 42 cm beträgt, vielleicht inzwischen auch 45 cm, der verbindliche Zieldurchmesser
jedoch 65 cm für diese eher schlechte Nutzungsqualität der Eichen. Der soll nach mittelfristiger Waldbauplanung in 200 bis 220 Jahren erreichbar sein. Der Bestand ist 167 Jahre alt.
Hat Herr Rieckmann nun die Unwahrheit gesagt und die Öffentlichkeit getäuscht? Nein, er hat ja alles dies nicht gesagt. Er hat auch nicht gesagt, dass die Fläche über 1,5 Hektar groß ist. Er hat
nur gesagt, dass auf 0,8 Hektar "verjüngt" werden soll. Herr Rieckmann hat die Wahrheit gesagt, in dem er nichts gesagt hat. Der freche Bürger Tobias R. sollte begreifen, das alles ganz anders
ist, als er es da draußen wahrgenommen und empfunden hat. Dass alles einfach eine Sinnestäuschung ist.
Großkahlschlag in einem naturschutzwürdigen Eichenwald im Timmerlaher Busch, Abteilung 681 a
Natürlich geschieht ein derartiger Großkahlschlag bodenschonend. Das Schreibt das Programm LÖWE zwingen vor. Im § 11 – Ordnungsgemäße Forstwirtschaft – heißt es im Satz 2 Nr. 5. des
Niedersächsischen WaldLandschaftsgesetzes:
„Kennzeichen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft sind insbesondere bedarfsgerechte Walderschließung unter größtmöglicher Schonung von Landschaft, Boden und Bestand.“
Wohlgemerkt, verbindlich für alle Waldbesitzarten. Aber vielleicht gilt das nicht für den öffentlichen Landeswald – den Wald der Bürger, für den Wald auch des Weststadtbürgers Tobias R., der
aufzuregen sich erdreistet bei „diesem normalen Gang der Dinge“ aus Sicht des Forstamtsleiters Rieckmann.
Aber vielleicht gilt für das Forstamt Wolfenbüttel eine Ausnahmeregelung. Schließlich ist der Amtssitz in Wolfenbüttel Tür an Tür neben dem Forstplanungsamt gelegen und zumindest vor den Toren
der Betriebsleitung Landesforsten in Braunschweig.
Ganzflächiges Befahren der Kahlschlagfläche mit Bringungsgerät in Abteilung 681a, Forstamt Wolfenbüttel
Teil 5
Es gibt noch andere Begründungen für eine derartige Waldnutzung in der Brut- und Setzzeit, in einem naturschutzwürdigen Eichen-Bürgerwald laut Pressebericht über den Timmerlaher Busch und seinen
naturnahen Großkahlschlag.
Die Brutzeit der Vögel im Timmerlaher Busch ist nicht gestört, erklärt der Forstamtsleiter Rieckmann. Die beginnt nämlich erst am 01. April – das war natürlich nur ein Aprilscherz. Humor darf
schließlich sein.
Bei diversen Vogelarten beginnt die Brutzeit nach Merkblatt Nr. 27 „Vogelschutz im Wald“ am 01. März, so unter anderem für alle Spechte und Hohltauben. Anzustreben sei für diese Arten ein hohes
Nutzungsalter mit anschließendem Überhalt (Mittelspecht besonders Eiche), heißt es da.
Für Greifvögel gilt ab 01.03. Beendigung unvermeidbarer Arbeiten 300 m um Horstnähe, ganzjährig Vermeidung von Störungen aller Art.
Für die Nachtschwalbe gilt die Brutzeit allerdings erst am 15. Mai –aber die gibt es im Timmerlaher Busch nicht.
Die Forstwirtschaft sei ohnehin nicht an die Ruhezeit gebunden, widerspricht Rieckmann seinen verbindlichen Dienstanweisungen. „Sonst müssten wir in dieser Zeit alle Waldarbeiter entlassen. Auch
die Versorgung der Industrie mit dem Rohstoff Holz wäre nicht gewährleistet.“
Irgendwann kann man dies alles nicht mehr als Realsatire empfinden. Die Arroganz, die Überheblichkeit, das Nichtwissen oder das nicht zur Kenntnis nehmen - geäußert nicht in kleiner Runde,
sondern gegenüber einem Journalisten – zehntausendfach verbreitet.
Wir Forstleute dürfen uns über unser sinkendes Image nicht wundern. Wir müssen anders ticken, und zwar schnellstens. Das kann doch nicht so schwer sein!
Herr Landwirtschaftsminister einer rotgrünen Landesregierung – sie sind der Dienstherr dieser Herren (und einiger Damen). Setzen Sie die ersten Zeichen Ihrer angekündigten Waldwende und beenden
Sie diese unsäglichen Geschehnisse im Bürgerwald, sonst werden sie künftig keine Ruhe mehr vor den Bürger haben.
Es bedarf keines weiteren Gesetzes. Es steht alles geschrieben. Greifen Sie durch. Wir alle warten auf Ihre Anweisungen!
Noch sind wir zuversichtlich.
Großkahlschlag im Timmerlaher Busch