Waldlyrik
Sei das Blut der Erde und das Gefäß der Götter, so wird sich der kleinste Grashalm vor Dir verneigen.
(Marion Hartmann)
Kleines Hexenmeister Gedicht
(Marion Hartmann)
Hier wohnt der Hexerich vom Walde,
In einem Hexenhäuschen- Baum,
Hier hext von morgens er bis abends,
Hext sich zusammen seinen Traum!
Verhext die Rehlein all im Walde,
Daß sie für Jäger fehlbar sind,
So springen unsichtbare Körper,
Durch Buschwerk und durch allen Wind!
Er hext die Bäume etwas dichter,
Geborgenheit für das Getier,
Und läßt den Hochstand heimlich stürzen,
Vorbei ist`s mit des Jägers Gier!
Er rührt im Topfe einen Zauber,
Aus vielen Hexenkräuterlein,
Erscheint er dann, der Waldgeist selber,
bittet ihn freundlich er herein.
So schmieden beide Hexenpläne,
Im Walde wird es still und stumm,
Weil alles Waldtier sich versammelt,
Ums Hexenhaus ganz leis herum.
Zaubersprüche, Hexenbrodel,
Kräutlein wird zum Kranz gewirkt,
Dämpfe steigen aus dem Häuschen,
Große Macht sich darin birgt!
Die letzte Frühlingskerze
(EmaesArt)
Die letzte Frühlingskerze brennt
so müde schon das sie sich gar nicht öffnen mag
so schlummert sie verborgen in ihrem grünen Zimmer
und träumt von bessren Tagen
Die letzte Frühlingskerze brennt
im knorrigen Geäst ein später Vogel sing sein Lied
nasse Tropfglocken läuten zum Gebet
der Himmel zieht sich an sein Kleid aus Abendrot
Die letzte Frühlingskerze brennt
ein kleiner Blick noch, ich geh weiter
still versunken in meiner eigenen Gedanken Gang
es ist so schön hier auf der Erden
und ich mag bleiben, lang und lang
bis meine letzte Kerze brennt
Die alte Eiche
(Maria Kindermann)
Die alte Eiche vor dem Haus,
sie könnte viel erzählen.
Noch ahnt sie nicht nahende Gefahr,
schon morgen wird sie fehlen.
Es ist ein schreckliches Geräusch,
was meine Ohren hören.
Die Motorsäge heult laut auf,
sie will den Baum zerstören.
Keine Naturgewalt bisher
konnte die Eiche je bezwingen.
Nun ist es eine Menschenhand,
die wird den Tod ihr bringen.
Waldzauber
(Marion Hartmann)
Nachts, wenn alle Menschen schlafen,
Wird`s im Walde sonderlich,
Bäume fangen an zu flüstern,
In der Ferne glimmt ein Licht!
Zwerglein werden putzemunter,
Die Laterne in der Hand,
Steigen sie den Hang hinunter,
In das Nachtgespensterland.
Schnell entfacht ein kleines Feuer,
Klamme Glieder wärmen sich,
Wispernd nähern sich auch Trolle,
trippelnd und sehr neugierig!
Die Elfen glätten ihre Kleidchen,
Die noch vom Schlafe knittrig sind,
Und bringen Bücher hin zum Feuer,
Erdacht für alles Menschenkind!
Durch das Buschwerk blitzen Augen,
Scheue Rehlein stehen dort,
Wird die Versammlung es erlauben,
Sich zu nähern jenem Ort?
Es ist Nachtgespensterstunde,
Waldgeist- Sonderkonferenz!
Heute feiert die Gesellschaft,
Einen neuen, schönen Lenz!
Wenn die Menschen nur erst wüssten,
Daß es kleine Geister gibt,
Wären sie ganz sicher mehr,
In Waldeszauberei`n verliebt.
Kleid aus grüner Seide
(EmaesArt)
Ich ruhe noch in einem Kleid aus schimmernd grüner Seide
träum sanft von warmen Frühlingstagen
der Wind wiegt mich so schön und zart
Laute welche zu mir dringen
sind leis wie Wattebäuschchen
die auf Schmetterlingsflügel fallen
Ich ruhe noch in einem Kleid aus schimmernd grüner Seide
verberge mein leuchtend gelbes Blütengesicht
im dämmrigdunkel meiner fest verschlossnen Knospe
schlafe, schlafe noch eine kleine Weile
genieße die Geborgenheit in meinem kleinen Reich
Ich ruhe noch in einem Kleid aus schimmernd grüner Seide
schau Mensch wie schön ich bin
sieht einfach nur genauer hin auf deinen Wegen
die du unbedacht oft gehst
Unkraut bin ich nur für dich
und du siehst mich nicht
in meinem Kleid aus schimmernd grüner Seide.
Das Raunen
(Marion Hartmann)
Es ging ein Raunen durch die Welt,
was mag das zu bedeuten?
Wer hat die Geister herbestellt,
in diesen schlechten Zeiten?
Es sprach der Fluss mir seinen Traum,
von klarem, sanften Fließen,
vom dichtbewachs´nem Ufersaum,
von Vogelparadiesen!
Ein Vogel tanzte über mir,
auf lauen Windeswogen,
vom Ende aller Menschengier,
so wisperte er droben.
Der Morgen brach mit Feuer ein,
es brannte das Firmament,
der Einbruch eines neuen Sein`s?
Ich spürt es vehement!
Hauchzarte Schönheit
(Marion Hartmann)
Hauchzarte Schönheit,
Traumverwoben,
Im nächsten Herbst,
Sturmzerstoben!
Gespinstige Netze,
Zwischen Brombeerlaub,
Einame Fallen,
Der Spinnen Raub!
Ich bin der Wald
(Inschrift an einem Forsthaus in Niedersachsen)
Ich bin der Wald
Ich bin uralt
Ich hege den Hirsch
Ich hege das Reh
Ich schütz Euch vor Sturm
Ich schütz Euch vor Schnee
Ich wehre dem Frost
Ich wahre die Quelle
Ich hüte die Scholle
Bin immer zur Stelle
Ich bau Euch das Haus
Ich heiz Euch den Herd
Drum ihr Menschen,
Haltet mich wert!
Heckenröslein
(Marion Hartmann)
Ein Heckenröslein nahm ich mit,
Ihr Duft war wunderschön,
So wollte ich im schnellen Schritt,
Den Weg nach Hause geh`n.
Da sprach es sanft aus meiner Hand,
"Oh, Mensch.., wie bist Du dumm,
Du siehst die Blüte nur allein,
Und nicht das Drumherum!
Geh nur zurück zum Rosenbusch,
Und bleib ein wenig steh`n,
Dann wirst Du meine Nützlichkeit,
Im Handumdrehen seh`n!"
Ich ging zurück und war verwirrt,
Was ist denn wohl gemeint?
Und plötzlich sah ich jenes Glück,
Das Busch und Tier vereint!
Es tummelten die Bienen sich,
Im hellen Sonnnschein,
Auf süssen Nektar ganz erpischt,
Ein ganz besondrès Sein.
"Wohlan, Du Mensch", so sprachs nochmal,
Verwelkend aus der Hand,
"Du kommst heraus aus Deinem Sinn,
Dem Menschen- Niemandsland!
Fortan wird Dir die Umwelt nun,
In Ganzheit vor Dir steh`n,
Du wirst selbst den profansten Stein,
Mit anderen Augen sehn!"
So ging ich fort und schämte mich,
Die Blüte lag im Sand,
Sie war mir Lehrer und Gedicht,
Im Heiligengewand!
Im tiefen Wald ist heut was los,
es gibt ein großes Fest,
was
auch nicht lang auf groß und klein,
an Tieren warten lässt!
Ein Wolf verkündet mit Geheul,
das Fest- Ablauf- Programm,
und
jedes Tier zündet ganz schnell,
seine Laterne an.
Herr Fuchs hat heute ganz speziell,
viel Glanz ins Fell gebracht,
und
will so ganz der Schönste sein,
zum Fest in dieser Nacht.
Frau Wildschwein hat sich eingestellt,
mit ihrer Kinderschar,
und
auch der Uhu flog hinzu,
das war ja auch ganz klar.
Der Marder hat noch ein Problem.
er steckt tief im Gebüsch,
gilt
er doch allgemein hin stets,
als kleiner Bösewicht.
Frau Elster schaut vom hohen Zweig,
hinunter auf das Treiben,
es
fällt ihr schwer, doch muss sie heut,
ihr diebisches vermeiden.
Novemberfest im tiefen Wald,
noch kurz vor Schnee und Eis,
was
alle Lichtlein leuchten lässt,
im Tierversammlungskreis.
Und jedes Tier hat heut und hier,
was Eig`nes mitgebracht,
da
ein Gedicht und dort ein Lied,
auch ein Gebet für diese Nacht.
Der Waldgeist hat sich aufgestellt
und hält die Jäger fern,
es
leuchtet heut für jedes Tier,
ein ganz besonderer Stern.
Dankeszeit im tiefen Wald,
für das Leben dieser Erde,
und
ein Gebet, dass bitte schnell und bald,
der Mensch zum Menschen werde!
(Marion Hartmann)
Bilder: Sven Bieckhofe
Jürgen Engelmann (Donnerstag, 15 November 2018 04:54)
Marion Hartmann macht mit ihrer Lyrik nicht nur Lust auf Wald, Tier, Pflanze, Natur überhaupt, sondern auch auf Lyrik selbst. Das Wort ist ihre streichelnde Hand für das Gute, aber auch ihre "Waffe" gegen das Böse. Sie setzt es so geschickt und verständlich ein, dass Missverständnisse ausgeschlossen sind. Bedient sich aller Register, um Emotionen hervorzurufen, die der jeweiligen Sache gerecht werden und möglicherweise Taten folgen lassen. Eine wortgewandte Frau, die auf ihre ureigene Art Menschen an die Natur heranführt, sie gar dafür begeistert. Danke, Marion Hartmann
Eva (Sonntag, 11 Dezember 2016 18:31)
Marions Gedichte sind nicht nur wunderschön in ihren Aussagen, sondern auch handwerklich meisterhaft. Ein Gedicht muss sich nicht nur reimen, es sind viele Aspekte zu beachten, es gibt nicht umsonst eine Verslehre mit vielen Untergruppen, vergleichbar der Musiktheorie. Marions Lyrik „holpert“ niemals, sie „läuft rund“. Gelernt oder Naturtalent?
Inhaltlich sind sie vielfältig – mal machen sie nachdenklich, sind elegisch, traurig, tisch, ermahnend oder einfach wunderschön, sprechen viele Seiten des Lesers an. Manche wirken unterschiedlich auf einen, je nachdem in welcher Stimmung man sich befindet. Mir ist allerdings in ihren fb-posts aufgefallen, dass Marions Poesie in letzter Zeit öfter auch mal sehr humorvoll ist, auf eine Art, die mich teilweise an Wilhelm Busch erinnert. Aber welche Art Gedicht es nun aucch sein mag – eine Freude sind sie alle.
Nicht vergessen möchte ich die Auswahl der Fotos mit großem Dank an die Fotografen!
Ursula J (Freitag, 01 Mai 2015 19:59)
es ist einfach nur schön,danke
Eva Schmelzer (Freitag, 02 Mai 2014 18:55)
Jaaa, das ist etwas für mich. Gudrun weiß, wie sehr ich Gedichte mag. Wunderschön auch die Bebilderung. In ALLEN diesenGedichten kommt so viel Gefühl zum Ausdruck, und sie können einen zu Tränen rühren, so wie es bei der Eiche und Birke in dieser Sammlung war. Ja, es ist schrecklich, einen Baum eines gewaltsamen Todes sterben zu sehen, ich kann es ebensowenig mit ansehen wie die Schlachtung eines Tieres.
Auch dass dem „Unkraut“ Löwenzahn ein Gedicht gewidmet ist, finde ich so schön, denn es rührt mich immer, wenn ich aus einer noch so kleinen Mauerritze (ich lebe mitten in der Großstadt) ein kleines gelbes Köpfchen herauswachsen sehe. Und kaum schaffen sie es, zur „Pusteblume“ zu werden, sie werden zertreten, herausgerissen. Und im nächsten Jahr versucht es die Pflanze wieder, wenigstens ein Weilchen zu leben.
Hoffen wir, dass das Wispern von Marions Vogel sich erfüllt und mit dem Brennen des Himmels eines Tages eine neue Zeit heranbricht – bevor es zu spät ist!
Erika Bulow-Osborne (Donnerstag, 01 Mai 2014 14:18)
Das Dichter- Dreigestirn, Marion Hartmann, Maria Kindermann und EmaesArt bescherte uns echten Waldzauber aus zeitloser Schoenheit, aber auch voller Sorge um den Raubbau an alten, wertvollen Baeumen, sowie Nichtbeachtung von Schutzregeln fuer Tiere. Es muessten strenge Auflagen fuer Jaeger erlassen und Waffenscheine entzogen werden bei Zuwiderhandlungen.
Die Inschrift am Foersterhaus in Niedersachsen sollte wieder volle Geltung bekommen.
Ein schoener Gedanke ist,dass der Zaubertrank des Hexenmeisters mit Hilfe des Waldgeistes Tierleben schonen kann.
Symbolhaft stehen Magnolienkerze und Abendrot fuer verflossene und noch verbliebene Zeit.
Keine Naturgewalt konnte der alten Eiche schaden, aber das Geraeusch der Motorsaege kuendet ihren baldigen Tod an.
Eine Waldgeist-Sonder-Konferenz der Zwerge und Elfen beraet ueber Buecher fuer Menschenkinder, um ihnen die verlorene Kostbarkeit des Waldes in Erinnerung zu bringen.
Trauer um das menschliche Nicht-Sehen und Begreifen der Schoenheit einer geschlossenen Loewenzahnknospe .
Kommende Hoffnung auf Neubesinnung wird deutlich im Traum des Flusses ueber gesunden Uferbewuchs und zahlreiche Vogelarten. Der in feueriges Rot getauchte Morgen und Vogelgesang raunen ebenso von einem neuen Sein.
Die letzte Birke versucht das Vogelnest zu schuetzen.Traeume des vergangenen Friedens im Birkenwald halten das Faellen der Birke nicht auf, eine Strasse wird sie ersetzen.
Das Spinnennetz voller Zartheit ist Todesfalle fuer Beute, doch auch dieses wird vom Sturm zerrissen.