Meine Nacht mit der kleinen Fledermaus
Text und Foto: Johannes Wagenknecht
28.01.2021
Unsere Fledermäuse haben ihr Zuhause ganz nahe bei unserem Bett, gleich hinter dem ersten Fliegengitter. Am Abend hören wir immer, wie sie sich unterhalten, bevor sie ausfliegen. Wenn die Fledermausjungen fliegen lernen, finden sie manchmal nicht den richtigen Weg nach Hause. Anstatt um das Haus herum zu fliegen, wollen sie eine Abkürzung nehmen. Aber dann bringt sie das Terrassendach durcheinander.
Vorgestern ist wieder einmal eine kleine Fledermaus auf der Terrasse gelandet, weil sie falsch geflogen war. Es war Abend. Ich hatte schon die Zähne geputzt und wollte schlafen gehen. Da dachte ich daran, dass ich noch die Terrassentür zumachen muss. Genau in diesem Moment ist sie nach drinnen gehuscht, die kleine Fledermaus. Ich dachte, sie wollte sich in der Werkstatt verstecken und suchte sie dort. Ich konnte sie aber nicht finden und schaute im Kinderzimmer nach. Aber da war sie auch nicht.
Da ich sie nicht finden konnte, legte ich mich ins Bett und schlief ein.
Mitten in der Nacht wachte ich plötzlich auf, weil ich einen Luftzug im Gesicht spürte. Ich merkte, dass die Fledermaus ganz knapp über meinen Kopf geflogen war. Sie war also ins Schlafzimmer gekommen! Darum hatte ich sie in den anderen Zimmern nicht finden können. Ich machte Licht und suchte die Fledermaus im Schlafzimmer. Aber sie hatte sich gut versteckt. Oder war ich nicht richtig wach? So oder so, ich konnte sie nicht entdecken. Ich war auch zu müde, mir eine Leiter zu holen und auf dem Kasten nachzusehen. Nicht so schlimm, dachte ich. Anscheinend hat sie einen Mosquito gejagt, der mich in die Nase stechen wollte - brave Fledermaus! Ich schaltete also das Licht wieder aus und legte mich schlafen.
Es war angenehm warm in dieser Nacht. Meine Füße schauten unter dem Leintuch hervor und ich schlief wunderbar. Doch plötzlich spürte ich, wie ein Tier meine Zehen hinaufkraxelte. Schlagartig wachte ich auf. Sofort wusste ich: Das war die Fledermaus! Ich machte schnell Licht und fand die Fledermaus auf dem Fußboden. Da konnte ich sie fangen, weil es für die kleinen Fledermäuse sehr schwer ist, vom Fußboden zu starten. Ich machte das Fenster auf und ließ sie fliegen. Ihr Zuhause ist ja nur zwei Meter entfernt. Die Fledermausmama hat sich sicher gefreut, dass ihr Kind wieder da ist. Sicher hat das Kind von den Erlebnissen erzählt. Vielleicht hat es auch erzählt, dass ich an den Zehen sehr kitzlig bin. Aber das konnte ich nicht mehr hören, weil ich schon wieder schlief.
Fortsetzung
11.05.2021
Eva Schmelzer (Samstag, 15 Mai 2021 19:14)
Diese Fortsetzungsgeschichte über die Fledermausfamilie ist wunderschön. Sie hat keinen Schrecken, keine Tragik, endet friedlich. Und doch muss ich zugeben, dass ich ein Tränchen der Rührung verdrücken musste, als ich tatsächlich in meinem inneren Ohr mit anhörte, wie das Kleine der Mama von dem aufregenden Erlebnis erzählte und spürte, wie glücklich die Mama war.
Eva Schmelzer (Montag, 15 Februar 2021 17:32)
Eine liebenswerte Geschichte, sehr humorvoll und einfühlsam wiedergegeben. Erzählt von jemandem, der ganz selbstverständlich mit der Natur lebt! Herzlichen Dank, Johannes Wagenknecht!