Grüne Wände
Text und Foto: Markus Meyer
gartenarchitekt44@gmail.com
07.04.2021
Senkrechte Begrünungen – Kletterpflanzen als „grüne Wände“ und warum? Weil es notwendig ist!
Sicht-, Lärm-, Wetter- oder Sonnenschutz einmal anders! Kletter- und Schlingpflanzen kennen wir als immergrüne oder blühende Bepflanzungen von Fassaden und Mauern, Spalieren, Rosenbögen, Zäunen
oder Pergolen, nur verwendet werden sie recht selten, warum nur?
Eine senkrechte botanische Augenweide, sowohl ökonomisch als auch ökologisch ein klimafitter Hit, die herrlich blüht wie z.B. mit einer Clematis, die an einem Baum oder an einem Zaun wunderschön
hochrankt oder eine essbare Alternative wie z.B. die Kiwi. Kletter- und Schlingpflanzen werten unser Umfeld nicht nur ökologisch auf, sie bereichern auch unsere Küche, erfreuen mit ihren Farben
und können Photosynthese – diese und noch mehr Raffinessen sollten ausreichen, um vermehrt auf Kletter- und Schlingpflanzen als Schattenspender und Lärmpuffer zu setzen oder?
Ob für Drinnen oder Draußen, dem Begrünen von Wänden oder Dächern sowie Pergolen, es gibt eine Vielzahl an widerstandsfähigen und robusten Kletter- und Schlingpflanzen. Nicht immer ist ein
Klettergerüst oder eine Kletterhilfe nötig.
Wir unterscheiden vier verschiedene Möglichkeiten des Kletterns:
1. Schlingpflanzen, auch Winde- und Schlinger-Pflanzen. So genannt, weil sich, oftmals senkrecht nach oben winden, um die eigene Achse und erzeugen dadurch selbstständig den Halt an der
Kletterhilfe. Die kann in vielen Fällen auch aus Nachbarpflanzen bestehen, also nebenstehende Bäume oder Sträucher. Zu dieser Gruppe der Schlingpflanzen gehören Blauregen (Wisteria sinensis),
Kiwi (Actinidia arguta), Passionsblumen (Passiflora caerulea) und Jelängerjelieber (Lonicera henryi) oder eben der Hopfen (Humulus lupulus) u.a.
2. Rankpflanzen, sie bilden an ihren Triebenden und Blattstielen korkenzieherartige, gedrehte junge Triebfortsätze aus. Für diese kleinen Schlingen genügt schon ein quergespannter Draht als
Kletterhilfe. Besonders beliebt sind hier die Clematissorten (Waldreben), Purpurglöckchen (Rhodochiton) und die Zaunrübe (Bryonia dioica) sowie Prunkwinden (Ipomoea indica) oder die Feuerbohne
(Phaseolus coccineus), Wilder Wein (Parthenocissus quinquefolia) u.v.m.
3. Spreizklimmer - sie bilden oft dornenbewährte sparrige Triebe, die sich vorzugsweise an Nachbarpflanzen verhaken und so nach oben streben. Kletterhilfen und Hochbinden sind hier zu empfehlen.
Bekannte Spreizklimmer sind Brombeeren (Rubus fruticosus) und Himbeeren (Rubus idaeus), auch Kletterrosen gehören dazu ebenso der Winterjasmin (Jasminum nudiflorum) u.a.
4. Selbst- und Haftklimmer - durch die Ausformung eigener Haftorgane an den Jungtrieben erreichen sie mühelos große Höhen. Zu ihnen zählen Efeu (Hedera helix), Kletterhortensien (Hydrangea
petiolaris), Trompetenblume (Campsis grandiflora) u.a.
Der mittlerweile besorgniserregende Klimawandel, der im Winter genauso wie im Sommer und zu den anderen Jahreszeiten, deutlich sichtbare Auswirkungen nach sich zieht, ist unumstößlich. Ohne die
Diskussion von Neuem aufzuwärmen, birgt er aber auch Chancen, die wir nutzen sollten, sofern wir tatsächlich überleben wollen.
Im Kontext zur urbanen und ruralen Überhitzung, im Zusammenhang mit den knapper werdenden Wasserressourcen und der begrenzten Wasserverfügbarkeit, begleiten uns dennoch verlässliche botanische
Weggefährten, die unser „Leid“ lindern können – nämlich die Kletterpflanzen.
Sinnvolle und wirksame Gebäudebegrünungen in Ergänzung zu grünen Pflanzinseln, passenden angepassten Bepflanzungen, der entsprechenden qualifizierten Unterhaltspflege sollten wirklich zwingend
bei sämtlichen baulichen Maßnahmen, Sanierungs- und Renovierungsarbeiten, Erschließungen u.ä. schon in der Planungs- und Entwurfsphase einbezogen werden. Vorher ist jedoch – frei von Gier,
Ideologien und Egoismen – grundsätzlich, ob die angedachten Maßnahmen überhaupt notwendig sind.
Neben horizontalen Begrünungen (eben Dachbegrünungen) werden zusehends sog. vertikale Begrünungen (Fassadenbegrünungen) thematisiert, aber eben nur thematisiert und nur ansatzweise tatsächlich
realisiert. Angesichts der Tatsache, dass ich weiß, wie Pflanzen funktionieren, dass sie für jede Frage, für jeden Standort die passende Antwort haben, erscheint es mir sehr rätselhaft und völlig
unverständlich, warum vertikale Begrünungen noch immer stiefmütterlich behandelt werden. Rätselhaft stellt sich für mich auch die Beobachtung dar, dass die wenigen realisierten vertikalen
Begrünungen einfach nicht funktionieren – vielleicht mal Fachleute fragen, die wirklich Ahnung haben?
Wie dem auch sei, es wird angesichts der steigenden Temperaturen, dem wachsenden Lärmpegel in den Metropolen, den trockenen staubigen urbanen Räumen und des damit einhergehenden Unwohl-Gefühls,
das auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann, zusehends lebensnotwendiger, sich aktiv der Thematik der Gebäudebegrünungen u.v.m. zu widmen. Umso mehr, da inzwischen vermehrt Städte
und Kommunen die Bauordnungen dahingehend geändert haben, dass Baugenehmigungen ohne entsprechende und ausreichende Begrünungen nicht mehr ausgestellt werden. Eine Entwicklung, die ich sehr
begrüße und es wäre schön, wenn auch Bauträger und Projektentwickler, Hotelbetreiber, Gewerbetreibende, Banken und Versicherungen sowie auch private Bauherren und-frauen zu der Überzeugung
gelangen könnten, offensiver Ökologen oder Botaniker in ihre Vorhaben einzubeziehen.
Denn: „Achtet auf die Pflanzen, denn sie wissen, was sie tun!“
Aufrecht und botanisch erleuchtet in die Zukunft, so sollte das Credo lauten.
„Die Zukunft hat viele Namen: Für Schwache ist sie das Unerreichbare, für die Furchtsamen das Unbekannte, für die Mutigen die Chance!“ (Victor Hugo)
Anmerkungen wie immer hier oder an gartenarchitekt44@gmail.com
Danke und achtet einander, wir sind alle miteinander verbunden, vergesst das nicht!
Und schaut her: ( Foto oben) Hopfen (Humulus lupulus) in Begleitung eines Efeus (Hedera helix) – wäre eine Idee oder? Hier an einem Zaun, gedeiht aber auch wunderbar an einer Fassade und ist
zudem gesund! Efeu ist übrigens im Gegensatz zu den irrigen Verlautbarungen, die seitens Brandschutzbehörden im Umlauf sind, nicht brandempfindlich und nicht leicht entzündbar!!! Efeu hält
durchaus den gängigen Brandschutzverordnungen stand, trotz des Gehalts an ätherischen Ölen. Noch Fragen?
Eva Schmelzer (Donnerstag, 15 April 2021 17:30)
Ein sehr interessanter Beitrag, vor allem für jene, die die Möglichkeit haben, solche „grünen Wände“ zu schaffen. Damit meine ich durchaus nicht nur Privatpersonen, sondern auch Gartenbauämter der Städte. Wie viel wäre da zu begrünen! Ich kann mir vorstellen, dass es auch dem Erhalt von Insekten dient.