Winterfütterung der Mäusebussarde
Text und Fotos: Jürgen Engelmann
09.03.2019
Seit vielen Jahren füttere ich im Winter und während der Aufzucht ihrer Jungen die Greifvögel. Überwiegend sind das Mäusebussarde.
Als ich damit anfing, legte ich das Fleisch in Abständen auf den Erdboden. Und obwohl es für alle gereicht hätte, kam es zu Rangeleien, weil sich mehrere Vögel um das selbe Stück bemühten. Das
sind normale Vorgänge, die in der Natur auch vorkommen.
Um die Streitereien zu minimieren, vermeiden lassen sie sich nicht, immerhin sind es Wildtiere, richtete ich Sitzstangen auf und befestigte das Fleisch an ins Holz
eingelassene Haken. Die Vögel hatten schnell gelernt, das Fleisch auszuhaken und es dann an sicherer Stelle zu fressen. Manche fraßen auch gleich vor Ort, das ermöglichte mir, sie aus der Nähe zu
beobachten und zu fotografieren.
Nun spielt bei manchen Tierarten, wenn sie nah beieinander sind der Futterneid eine Rolle. Bei Herden-und Rudel-Tieren wird nach der Rangfolge gefressen. Bei Einzelgängern geht es nach Stärke.
Und so kam es trotz meiner Vorsichtsmaßnahmen auch an den Sitzstangen hin und wieder zu Angriffen auf den Vogel, der bereits fraß. Bussarde kämpfen nicht bis aufs Blut. Der Schwächere hat stets
nachgegeben, so dass es nie zu Verletzungen kam. Solche Situationen gab es dann, wenn mehr Vögel kamen als Sitzstangen vorhanden waren. Einmal waren 13 Bussarde zugleich da, aber es blieb
friedlich. Ich habe die beringten oder mit Flügelmarken gekennzeichneten Vögel fotografiert, so, dass man Ringe ablesen und die Nummer auf den Flügelmarken erkennen konnte, habe sie Bilder an die
Beringung-Zentrale nach Hiddensee geschickt und von dort
die Identifikationsprotokolle über die jeweiligen Vögel zurückbekommen.
Also Angaben über Alter, wo beringt u.s.w. Und so konnte ich manchen Vogel begrüßen, der nicht in der Nähe zuhause war. Mit der Zeit konnte ich sie an der Zeichnung des Gefieders auseinander
halten. Ich habe viel gelernt, von den Vögeln über die Vögel, auch und vor allem Verhaltensweisen, die ich in keinem Buch gefunden hatte. Dafür bin ich den Tieren sehr dankbar.
Auf den Bildern die Rangeleien, die gefährlicher aussehen, als sie real sind
Wir schrieben das Jahr 2014. In diesem Jahr war der Winter seinem Namen gerecht geworden. Schnee und starker Frost hatte die Menschen in ihre Behausungen getrieben.Die Wildtiere litten Hunger.
Natürliche Nahrung gab es fast nicht mehr. Wie in jedem Winter fütterte ich, neben den anderen Vögeln, auch die Greifvögel mit Fleisch. Da blieb es nicht aus, dass auch Rabenkrähe, Eichelhäher
und Elster versuchten ein Stück davon zu erhaschen. War die Luft rein, kein Greifvogel in Sichtweite, stürzten sie sich gierig auf die leckeren Fleischstücke, denn sie gingen sich vorsichtshalber
aus dem Wege.
Doch dann sah ich zu meiner Überraschung einen fast weißen Bussard und eine stahlblau schillernde Elster gemeinsam an dem gleichen Stück fressen.
In Not zusammenstehen, dachte ich, ist nicht nur dem Menschen eigen. Not überwindet Grenzen.
Eva Schmelzer (Samstag, 16 März 2019 13:55)
Es ist ein ganz besonderes Erlebnis, diese Geschichten von Jürgen Engelmann zu lesen. Sie geben nicht nur einen genauen Einblick in das Leben und Verhalten der Tiere, sondern bringen sie dem Leser gefühlsmäßig sehr nahe - man gewinnt sie auf besondere Weise lieb, sie werden zu Bekannten, ja, Freunden. Jürgen dankt den Tieren, dass er diesen tiefen Einblick gewinnen durfte, ich danke auch ihm, dass er ihn an uns weitergegeben hat.