1 x 1 für Fledermausretter: Fledermaus gefunden - Was tun?
Text: Sybille Waibel
Bild: Sybille Waibel
25. 06. 2014
1. Schützen Sie zuerst sich selbst. Die Wahrscheinlichkeit, sich durch einen Fledermausbiss mit Tollwut zu infizieren, ist äußerst gering. Viele Arten können jedoch kräftig und schmerzhaft
beißen, wenn sie angefasst werden. Fassen Sie eine unbekannte Fledermaus also nie mit bloßen Händen an.
Benutzen Sie lieber Arbeits- oder Gartenhandschuhe oder umfassen Sie das Tier locker mit einem Stofftuch. Fledermäuse, die sich im Zimmer verirrt haben und noch munter wirken, brauchen gar nicht
angefasst zu werden. Öffnen Sie die Fenster und lassen Sie die Tiere auch tagsüber ins Freie fliegen. Fledermäuse nehmen keinen Schaden bei Tageslicht.
Findelmaus
2. Bewegt sich eine Fledermaus allenfalls wie in Zeitlupe und fühlt sich kalt an (vorsichtig am Rücken fühlen), so ist sie entweder sehr geschwächt oder sie befindet sich in einer Art
Kältestarre, in die Fleder- mäuse zum Winterschlaf oder bei Nahrungsmangel übergehen können, um Energie zu sparen. In diesem Zustand sind Fledermäuse nicht flugfähig und benötigen 10-45 Minuten,
um ihre „Betriebstemperatur“ zu erreichen. Winterschlafende Fledermäuse sollten nicht unnötig aufgeweckt werden und möglichst an sicherer Stelle in Ihrem Quartier verbleiben.
3. Bei Findlingen mit größeren Wunden oder Knochenbrüchen kann nur ein Tierarzt oder Fledermausspezialist helfen. Sie sollten das Tier möglichst schnell in eine Notfallkiste setzen (siehe 4) und
Kontakt zu Fledermausfachleuten aufnehmen.
Notfallkiste
4. Als schnelle Lösung für die vorübergehende Unterbringung von Fledermäusen eignet sich ein alter Schuhkarton mit Lüftungslöchern. Innen füllt man ihn am besten locker mit zerknülltem
Küchenpapier oder mit einem kleinen geknüllten Stofftuch. Vorsicht: Fledermäuse sind Ausbruchskünstler! Der Karton muss gut, aber natürlich nicht luftdicht schließen. Im Winter sollte die
Notfallkiste in einen etwa 5-10°C kühlen Raum gestellt werden, bis weitere Hilfe organisiert ist. Im Sommerhalbjahr und besonders vor Fütterungs- und Abflugversuchen (siehe 5. und 6.) muss die
Kiste bei Zimmertemperatur aufbewahrt werden.
Großer Durst
5. Möglichst rasch sollte jeder Fledermausfindling trinken. Hierzu träufeln Sie am besten einige Tropfen Leitungswasser mit einer kleinen Pipette oder einem Pinsel seitlich an die Maulspalte
(nicht von vorn, dort befinden sich die Nasenlöcher!) Nur ausnahmsweise fressen Fledermäuse auf Anhieb angebotene Nahrung aus dem Futternapf. Normalerweise muss ihnen die Nahrungsaufnahme mit der
Pinzette mühsam beigebracht werden. Als Futter bitte nur lebende oder frisch ausgedrückte Mehlwürmer aus dem Zoohandel oder Angelshop verwenden – heimische Fledermäuse sind reine
Insektenfresser.
Abflugversuch
6. Abflugversuch: Mit ausgewachsenen Fledermäusen ohne erkennbare Verletzungen sollte am Abend (außer in Frostnächten oder bei Dauerregen) ein Abflugversuch unternommen werden. Viele Probleme
lösen sich auf diese Weise von selbst. Setzen Sie das Tier in der Abenddämmerung an eine raue, senkrechte Unterlage (katzensicher!) und beobachten Sie, ob es abfliegen kann. Bis zum Abflug kann
längere Zeit vergehen (siehe 2.). Unterhalb des Abflugplatzes sollte der Boden übersichtlich sein (z. B. Rasen), damit Sie die Fledermaus wiederfinden, wenn der Flugversuch misslingen
sollte.
Kuschelturm
7. Jungtiere: Vor allem kleine Arten wie die 5-6 Gramm leichten Zwergfledermäuse werden oft als vermeintlich hilflose Jungtiere angesehen. Junge Fledermäuse gibt es bei uns nur von Mai bis Juli.
In den ersten Lebenswochen sind sie entweder völlig nackt oder nur flaumig behaart. Sollte man ein hilfloses Jungtier finden und das Quartier ist bekannt, sollte man den Winzling dorthin
zurücksetzen. Bei unbekanntem Quartier kann man das Jungtier seiner Mutter mit einem „Kuschelturm“ zurückzugeben: In eine glattwandige Schüssel wird ein hohes Glas gestellt, das mit einer Socke
überzogen wird. In der Dämmerung setzt man das Fledermausbaby an die Socke und stellt es katzensicher in der Nähe des Fundortes auf (evtl. äußere Fensterbank). Ist das Junge in der Lage Laut zu
geben, holt die Mutter ihren Nachwuchs in der Nacht ab.
Sollte das hilflose Jungtier am Morgen nicht abgeholt worden sein, hilft wiederum nur der Spezialist weiter. Bis Hilfe organisiert ist, sollte das Jungtier bei angenehmer Wärme (nicht in der
prallen Sonne!) in einer Notfallkiste warten. Ist absehbar, dass weitere Hilfe erst nach vielen Stunden verfügbar ist, sollten Jungtiere körperwarmen Fencheltee oder Wasser bekommen, um nicht
auszutrocknen. (Technik siehe 5.)
Eva Schmelzer (Montag, 02 Mai 2016 12:23)
Schon seit Kindertagen liebe ich alle Tiere. Aber erst Sybille hat mir vor gut vier Jahren die Fledertiere nähergebracht. Immer wenn ich seitdem eine Fledermaus sehe oder davon höre, denke ich an Sybille. Zweimal habe ich nun auch schon an der „Fledermausnacht“ in Düsseldorf teilgenommen, einmal im Volksgarten, einmal im Ostpark.
Es ist wichtig, dass die Faszination für diese Tiere endlich mal aus der gruseligen Märchenecke, in der auch der „böse Wolf“ noch teilweise steckt, herausgeholt wird. Und Sybille tut viel dafür und gibt nützliche Informationen, wie wir uns verhalten müssen, wenn en solches Tierchen mal in Not ist und auch, wie wir ihm einen Lebensraum erhalten oder schaffen können. Danke, liebe Flaus-Mami.
sybille Waibel (Sonntag, 24 April 2016 12:49)
es gibt eine bundesweite Notrufhotline für Fledermausfunde....
https://www.facebook.com/photo.php?fbid=10208864612722670&set=gm.10153232244841809&type=3&theater
Eva Schmelzer (Dienstag, 01 Juli 2014 17:08)
Eine so umfangreiche und detaillierte Anleitung habe ich noch nie gelesen! Toll! Ein wenig mehr als früher, weiß ich ja nun durch Sybille und andere Fledermausexperten hier bei fb ja nun sowieso schon, worüber ich sehr froh war nach dem schlimmen Orkan, der am Pfingstmontag unsägliche Baumschäden angerichtet hat, denn ich hatte damit gerechnet, dass ich möglicherweise hilflose Fledermäuse finden würde auf meinen traurigen Spaziergängen danach. Ich hatte ich mir auch sicherheitshalber die Tel-Nummern von Auffangstationen notiert, ebenso die der Tiernothilfe. Gefunden habe ich aber nur tote Jungvögel.
Danke für diesen wertvollen Beitrag, Sybille.
Erika (Dienstag, 01 Juli 2014 08:14)
Sybille Waibels erklaerende Auflistung moeglicher Hilfe fuer einen Fledermauswinzling kommt aus ihrer langen Erfahrung zum Schutze der gefaehrdeten Fledermaeuse. Das Beste ist immer ein Arzt oder Spezialist, aber etwas koennte man tun fuer ploetzlichem Bedarf. Man muesste die Telephonnummer und Anschrift der naechstliegenden Fledermausschutzstation aufgeschrieben haben, einen mit kleinen Lueftungsloechern versehenen Schuhkarton mit Pipette und Handschuhen fuer den Notfall bereithalten, sowie noch Sybilles Artikel ausgedruckt dabeilegen.
So methodisch und praktisch: herzlichen Dank.