Bialowieza
Text und Fotos: Gudrun Kaspareit
22.02.2017
Früher war ganz Europa von dichten Urwäldern bedeckt, hauptsächlich Buchen. (Buchen gibt es nur in Europa. ) Heute ist nur noch ca. 1% der ursprünglichen Wälder übrig. Alle anderen mussten dem Städtebau und der Landwirtschaft weichen. Die verbliebenen 1% der Wälder sind zumeist Wirtschaftswälder. Einzig die Bergkuppen der Karparten sind noch von Urwäldern bedeckt. Doch dort wütet heute die österreichische Holzmafia, allen voran die Fa. Schweighofer. Ein anderes Juwel ist der Nationalpark Bialowieza, welcher zur Hälfte in Polen, zur anderen Hälfte in Weißrussland liegt. Dieses 1400 km² große Überbleibsel der alten Urwälder, die Jahrtausende den Kontinent bedeckten und schon vor 10000 Jahren so wuchsen, birgt bis zu 600 Jahre alte Eichen, darunter die „Dominator“ Eiche die bis zu 40m hoch wird oder der „Imperator des Nordens“ eine Eiche die 6 m Stammumfang erreichen kann. Mehr als 20000 Tierarten, darunter Elche, Wisente, Wölfe und Luchse leben dort. Der Wald ist ein echter Hotspot für Biodiversität und ein großer, natürlicher Co2 Speicher. Bialowieza gehört seit 1976 zum Weltnaturerbe.
Schon die Nazis waren von diesem Wald fasziniert und haben ihn als ihr Jagdrevier auserkoren. Dieses dunkle Kapitel kennen die Wenigsten. 1941 befahl Göring, der in dem Wald eine Art germanische Urwildnis sah, ihn von Juden und Partisanen zu säubern. Die Nazi Schergen zerstörten und verbrannten 116 Dörfer, vertrieben 7000 Menschen und töteten 900 Juden und Partisanen. Dann ließ er dort die, dem Ur nachempfundenen und rückgezüchteten Heckrinder der Gebrüder Heck aussetzen. Ebenfalls den Tarpan, eine Wildpferdrasse. Man hatte vor, längst ausgestorbene Tierarten dort wieder auferstehen zu lassen. 1944 machte die vorrückende Rote Armee dem Spuk ein Ende. Was aus den Heckrindern geworden ist, weiß man nicht, jedenfalls sind sie verschwunden.
Aber den wilden europäischen Bison, das Wisent gibt es dort noch, ca. 450 Stück. Im Februar 1921 waren wild lebende Wisente ausgerottet, und in zoologischen Gärten gab es nur noch 56 Exemplare. Dank der erfolgreichen Nachzucht konnten ab 1956 wieder Tiere im Wald von Białowieża ausgewildert werden. Mittlerweile existiert eine halbwegs stabile Population von etwa 450 Tieren. Auch vielen anderen, oft bedrohten Tierarten bietet Białowieża ein Rückzugsgebiet, beispielsweise dem Schwarzstorch oder der Blauracke. Hier brüten neun Spechtarten, u. a. Weißrückenspecht und Dreizehenspecht, sowie Schreiadler und Schlangenadler, sieben Eulenarten, Rotdrosseln und Zwergschnäpper. Die biologische Vielfalt des Waldes ist überwältigend, denn nicht nur viele Tierarten, sondern auch 3.500 Pilz- und 5.500 Pflanzenarten wurden bisher nachgewiesen.
Doch nun ist dieses einmalige Naturparadies bedroht. Die gierige, rechtsgerichtete Regierung Polens streckt ihre Finger nach dem Wald aus. Just hat sie die Gesetze für Naturschutz und Wald geändert. Nun ist es erlaubt, auch ohne Genehmigung, Bäume zu fällen. Sollte sich im Nachhinein herausstellen, dass der Baum zu groß und zu alt war, muss eine läppische Strafe von 116 Euro gezahlt werden. Das ist nichts im Vergleich zu dem Gewinn, der so eine alte Eiche einbringt. Sie ist als Möbelholz sehr begehrt. Der Warschauer Umweltminister, der die Natura-2000-Vorschriften für übertrieben hält, hat schon im vorigen Jahr gestattete im Schutzgebiet und den angrenzenden Zonen doppelt so viel Holzeinschlag,wie nach den EU-Vorschriften erlaubt, vorzunehmen. Trotz massivem Widerstand von Umweltschützern hat die polnische Regierung vor wenigen Tagen grünes Licht für die Abholzung eines Teils des Waldes gegeben. Sie behauptet, man müsse das Borkenkäfer Problem in den Griff bekommen. Widerstand erfährt die polnische Regierung derzeit von Umweltschützern und Organisationen wie Greenpeace. Sieben Umweltschutzorganisationen haben bei der EU-Kommission eine Beschwerde eingereicht. Wenigstens sind 35% des Bialowieza Urwaldes streng geschützt und sollen auch nicht angerührt werden.
Der Wald wurde über Jahrtausende von der Natur geformt und der Buchdrucker (Borkenkäfer) ist einer seiner Gestalter. Er bestimmt den Zerfall und schafft neue Lebensräume, seit 10000 Jahren. Die Umweltschützer argumentieren, dass sich der Bestand der Käfer im Laufe weniger Jahre durch natürliche Feinde wieder von alleine auf ein gesundes Maß reguliert.
Das Borkenkäfer Problem betrifft nur Fichten, die 3% der Bäume stellen und darf gerne als vorgeschobenes Argument betrachtet werden.
choligak (Donnerstag, 30 April 2020 17:33)
padarnalat
Gudrun (Mittwoch, 04 September 2019 03:32)
Lieber Marc,
zu Deinem Kommentar möchte ich gerne Stellung nehmen. Zunächst einmal ist der Bialowieza Nationalpark kein Forst, sondern ein (noch) intakter Urwald, der sich seit der letzten Eiszeit dort entwickelt hat und zwar ganz ohne die Regulation der Menschen. Ein Forst ist nichts anderes als eine Monokultur-Holzplantage. Dort kann der Borkenkäfer großen Schaden anrichten. Der Nationalpark schwächelt erst, seit die Menschen dort immer mehr eingreifen. Du irrst, wenn Du schreibst, ich urteile aus der Distanz, denn ich bin auch dort gewesen, eine Woche lang. Natürlich würde die polnische Regierung und die dortige Bevölkerung den Wald lieber zu Geld machen, so wie es derzeit auch im Amazonas, in Borneos Urwäldern, in den Urwäldern Rumäniens oder auch im Kongo passiert. Und insofern sind sie auch sauer, das dieser Wald unter Schutz gestellt wurde. Nun zu den Wölfen. Jeder Förster wird Dir bestätigen: "Wo der Wolf jagt, ist der Wald gesund." In der Wildnis regulieren sich Jäger und Gejagte selber. Auch hier ist das Eingreifen des Menschen Schuld an einer eventuellen Schieflage. Und nun zum letzen Punkt. Hast Du den Wolfsangriff auf einer Terasse mit eigenen Augen gesehen? Ich glaube nicht. Es wird ein Schauermärchen sein. Ein (männlicher) Wolf greift einen (männlichen) Hund nur an, wenn dieser in sein Revier eindringt, weil er ihn als Konkurenten wahrnimmt. Die häusliche Terasse ist aber definitiv das Revier des Hundes, das würde der Wolf respektieren. Ich hoffe ich konnte Dir helfen. Liebe Grüße Gudrun
Marc Triebold (Dienstag, 03 September 2019 11:45)
Ich war dort und letztes Jahr 8 Tage im Forst. Es haben die Borkenkäfer 2018 2 Generationen gemacht, sind sogar auf die jungen Fichten und auf junge Kiefern übergegangen. Da keine Käferbäume entnommen werden durften, ist wohl jetzt alles zu spät für den Urwald wie man ihn kennt. Das einzige wirkliche Feindbild, das die Bevölkerung dort hat, ist die UNESCO.
Des weiteren verschwindet das Rotwild langsam ganz da die Wolfspopulation überhand nimmt. Die Bauern haben in der ganzen Region schon lange kein Vieh mehr. Als ich dort war, wurde ein Hund mitten im Dorf von einer Veranda weg gerissen. Dies Mittags!
Man sollte also vermeiden aus der Distanz sein vorschnelles Urteil zu fällen.
Marion Hartmann (Sonntag, 23 September 2018 01:09)
Habe jetzt Deinen Bericht zum 2. Mal gelesen und weitergeleitet.
Erinnert an das Drama um den Hambacher Forst.
Wird Zeit, dass die Machtgefüge des Geldes, des Profits brechen, ansonsten muss man schwarz sehen.
Dabei, und das ist der Witz, muss Kapital überhaupt nicht mit Gewissenlosigkeit zusammenfallen, man könnte so viel aufbauen, schützen, bewahren.
Erika (Sonntag, 05 März 2017 09:47)
Sven Bieckhofe gelang es in den Karpaten in Rumänien, seinen ersten Braunbaeren zu filmen. Das war eine sehr seltene Gelegenheit in freier Natur. Moege es ihm gelingen, eine oeffentliche Anerkennung seiner meisterhaften Videos und Filme zu finden.
Ein Unesco Weltkulturerbe wie Bialowieza, halb in Polen, halb im ehemaligen Weissrussland darf in keiner Weise verletzt werden. Die Erwaehnung des Buchdrucker Kaefers ist ein vorgeschobener Grund, um Baeume zu faellen und Geld zu verdienen, denn er greift nur die wenigen Fichten an.
Luc Bas, der Direktor der IUCN muss es ahnden und unterbinden.Ihm liegen bereits viele Verletzungen auf polnischer Seite vor. Vom 4. bis 8. Juni wird eine Unesco Delegation Bialowieza besuchen und tatkraeftig werden mit strengen Auflagen.
Eva Schmelzer (Mittwoch, 01 März 2017 13:06)
Danke für diesen beeindruckenden Artikel, ich wusste nicht, dass es Urwälder mit einem solchen Artenreichtum quasi „bei uns um die Ecke“ überhaupt gibt. Aber auch hier schwingt bei aller Begeisterung leider wieder die Angst um seinen Fortbestand mit. Und das wohl zu Recht, wenn man den unfassbaren Satz des polnischen Umweltministers liest, dass er die Natura-2000-Vorschriften für übertrieben hält! Bleibt zu hoffen, dass diese inzwischen recht unbeliebte Partei bald wieder abgewählt wird, aber das würde, wenn überhaupt, noch 2 Jahre dauern.
Was nun die mafiöse Fa. Schweighofer betrifft, zitiere ich hier mal aus einem Bericht des WWF-Austria: „Schon 2015 legte der WWF beim FSC (Forest Stewardship Council, eine internationale Non-Profit-Organisation) offiziell Beschwerde ein. Eine vom FSC eingesetzte Kommission kam ein knappes Jahr später zu dem Ergebnis, dass Schweighofer an illegalem Holzhandel beteiligt ist, ihn gefördert hat und seine Geschäftspraktiken den Zielen des FSC widersprechen. Schweighofer bekam eine Bewährungsfrist mit Auflagen. Eine erneute Prüfung der Beschwerde des WWF führte laut FSC jedoch zwischenzeitlich weitere mögliche Verstöße zutage. Sie bezogen sich auf Falschmessungen von eingehendem Holz. Der FSC¬-Vorstand gelangte daraufhin zu der Einschätzung, dass die Bewährung von Schweighofer nicht aufrechterhalten werden kann. Der Rauswurf von Schweighofer ist eine gute Nachricht für die Wälder in Rumänien.“ Soweit der WWF Austria.
Ich muss leider hinzufügen, dass trotzdem am 1. Januar 2016 Holzindustrie Schweighofer erneut mit dem internationalen Label für nachhaltige Holzwirtschaft durch die Zertifizierungsstelle Quality Austria ausgezeichnet wurde! Ist das nicht unfassbar?
Aber auch im äußersten Norden Skandinaviens finden wir noch ähnliche Wälder, vor allem in Norwegen, das aber Schlusslicht beim Waldschutz in Skandinavien ist. Gerade mal ein Prozent der Waldfläche steht dort unter Schutz. In Schweden und Finnland sind es immerhin je fast vier Prozent. Norwegen ist wegen seiner Ölvorkommen eines der reichsten Länder Europas und ist nicht auf die Einnahmen durch Holzverarbeitung angewiesen, die Regierung muss jetzt handeln, damit diese Wälder nicht auch unwiederbringlich verloren gehen.