Unsere Gier nach Plastik
Text: Gudrun Kaspareit
Quelle: https://www.republik.ch/2022/04/19/75-000-000-000-giftige-kuegelchen
18.05.2022
Unsere Gier nach billigem Plastik hat eine der schlimmsten Umweltkatastrophen in Sri Lanka verursacht. Die X-Pearl Express geriet in Brand . Knapp zwei Wochen lang brannte das Schiff und sank schliesslich mit 81 Containern, die mit gefährlichen Gütern gefüllt waren. Darunter befand sich Salpetersäure, eine ätzende und brennbare Lösung zur Herstellung von Düngemitteln, die aus einem Behälter ausgelaufen war und vermutlich den Brand verursacht hatte. Berichten zufolge wurden auch Epoxidharz (das in flüssigem Zustand giftig ist), Schmieröl, Blei und Kupfer mitgeführt – und tonnenweise Kunststoffgranulat, eine übliche Form im Handel mit Plastik.Die Havarie passierte mitten im Fischfang und Touristengebiet.
Auch 8 Monate später sind die Schäden noch lange nicht behoben. Sri Lanka wird noch jahrelang unter dem Desaster leiden. Tagtäglich sammeln allein am Strand von Colombo ca. 40 Frauen von morgens bis abends das Granulat ein. Für 100 Kilo bekommen sie 3000 Rupien.
Granulat ist eine gängige Lieferform für die Industrie; es hat in der Regel einen Durchmesser von weniger als 5 Millimetern und ist leicht zu transportieren. Die Grösse ist auch bei der Herstellung von Alltagsprodukten von Vorteil, da das Granulat gleichmässig geschmolzen werden kann, bevor es etwa zu Plastikflaschen oder Autoteilen geformt wird.
Die Folgen der Havarie wurden schnell deutlich. Bis Ende Juli spülte der Ozean 258 Schildkröten, 43 Delfine und 6 Wale an, und es häuften sich die Meldungen über weitere tote Tiere und über Fische mit Granulat in Kiemen und Mäulern. Selbst Monate nach dem Vorfall berichteten Fischer, dass ihre Fänge merklich zurückgegangen seien und sich die Farbe des Wassers verändert habe.
Wenn Kunststoff ersteinmal in die Umwelt gelangt, bleibt er dort für ca. 600 Jahre erhalten, wandelt sich höchstens zu Mikroplastik. In diesem Fall haben die Verbrennungen und die ätzenden Chemikalien, das Plastikgranulat nocheinmal gefährlicher gemacht, für das marine Leben. Ob man den gefangenen Fisch essen kann, ist sehr fraglich. Bis der tatsächliche Umweltschaden ermittelt ist, werden noch Jahre vergehen.
Die Belastung durch Plastikgranulat ist nicht neu. 2012 nach einem Taifun ausserhalb von Hongkong wurden 150 Tonnen Granulat verschüttet. Noch 6 Jahre später fand man das Granulat am Strand.
2017 und 2020 verloren zwei Schiffe, eines auf See und eines im Hafen in Südafrika je einen Container Granulat. Daraufhin wurden 2000 km. Strand verschmutzt. Ebenfalls 2020 verseuchten 743 Millionen Kügelchen den Mississippi.
Solange wir weiterhin Plastik verwenden, werden diese Probleme nicht aufhören. Es ist ähnlich, wie unser Umgang mit Erdöl.
Quelle: https://www.republik.ch/2022/04/19/75-000-000-000-giftige-kuegelchen