Abschied vom Dorsch
Text: Gudrun Kaspareit
Fotos: Wikipedia, Gudrun Kaspareit
28.08.2021
Als ich noch jung war und früh morgens am Hafen entlangging, von Neustatdt oder Niendorf, wo die Fischer ihren Fang direkt von ihren kleinen Booten herunter verkauften, staunte ich immer wie groß manche Dorsche waren, direkt furchteinflößend, über einen Meter groß.Tatsächlich können Dorsche 2m lang werden. (Jetzt esse ich schon seit 20 Jahren keinen Fisch mehr) Der Dorsch wird auch als Kabeljau bezeichnet.
Heute ist der Dorschbestand in der Ostsee zusammengebrochen. Obwohl Dorschweibchen Millionen Eier hervorbringen können und damit sehr fruchtbar sind, ist ihr Bestand vollkommen eingebrochen. Das liegt an der permanenten Überfischung. Ich weiß nicht, wie lange es her ist, seit ich einen wirklich großen Dorsch gesehen habe. Die Fische schaffen es nicht mehr erwachsen und geschlechtsreif zu werden, ehe sie gefangen werden.
Die Populationen haben ihren Kipppunkt überschritten und es ist unwahrscheinlich, dass sie sich an der deutschen Ostseeküste wieder erholen werden., sagt Christian Möllmann von der Universität Hamburg. Je größer ein Weibchen ist, desto mehr Eier kann es produzieren. Sind unter den Laichfischen eines Bestandes alte, große Weibchen, werden mehr Eier produziert als wenn die gleiche Gesamtbiomasse überwiegend aus jungen, kleinen Fischen besteht. Aber in der Fischerei und auch beim Angeln werden gerade die großen Laichfische gefangen. Selbst eine geringere Fangquote kann den Dorsch nicht mehr retten. Dazu kommen noch Umweltfaktoren, wie Sauerstoffgehalt, Salzgehalt, Wassererwärmung und Umweltgifte.
Möllmanns Team vermutet, dass der Kabeljau nicht in der Lage ist, sich an die schnell erwärmende Umwelt anzupassen und seine Fortpflanzungsfähigkeit dauerhaft beeinträchtigt wird. Damit gilt auch nicht mehr, was Alfred Brehm schrieb, der den Dorschfang schon im 19. Jahrhundert als Vernichtungskrieg bezeichnete, dem die Fischart ihre „unglaubliche Fruchtbarkeit“ entgegensetzte und „die vom Menschen beigebrachten Lücken, bisher wenigstens, immer wieder ausfüllte“.
Der Klimawandel macht dem Nachwuchs von Kabeljau und seinem nördlichen Verwandten schwer zu schaffen. Die Eier tolerieren keinen Temperaturanstieg, sie entwickeln sich nur im kalten Wasser. Auch die Versauerung der Meere macht ihnen zu schaffen. Das Verschwinden des Kabeljaus und des Polar-Dorsches beeinflusst aber auch andere Arten (surprise,surprise) wie Schwertwal, Robbe, Papageientaucher, Möwen und andere Seevögel. So wäre ein ganzes Ökosystem betroffen. Auch die Entwicklung der Fischlarven braucht bestimmte Wassertemperaturen. Deshalb wäre es angeraten, den klimatischen Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu beschränken.
Auch der Nachwuchs des Herings ist nahezu zusammengebrochen. Leckerer Ostseefisch ist aus. Natürlich jammern die Fischer und die Fischereiindustrie, aber sie sind nur die Spitze der Nahrungskette. Wie schon erwähnt werden ganze Ökosysteme zusammen brechen.
„Dazu kommt noch die aus Nordamerika eingeschleppte Rippenqualle, die auch "Meerwalnuss" genannt wird. Sie vermehrt sich massiv im warmen Wasser, und konkurriert nun mit den wenigen verbliebenen Dorsch- und Heringslarven um das Futter-Plankton. Alle Anzeichen deuten darum darauf hin, heißt es aus dem Geomar-Zentrum, dass es bei Dorsch und Hering in diesem Jahr keinen Nachwuchs geben wird.“ (Prof. Thorsten Reusch, GEOMAR-Helmholtz-Zentrum )
Eva Schmelzer (Mittwoch, 15 September 2021 15:05)
Hier spielen auch gleich wieder zwei Faktoren eine Rolle, die jedoch vom Menschen beeinflussbar wären: Der Klimawandel und die gezielte Fischerei auf den Kabeljau, die aufgrund der negativen Bestandsentwicklung in der östlichen Ostsee bereits eingestellt wurde. Die Europäische Union sah sich gezwungen, die erwerbslosen Fischer*innen mit Subventionen (u.a. zur Verringerung der Fischereiflotte) zu unterstützen.
Der BUND setzt sich vehement dafür ein, dass die Fangquoten aller kommerziell genutzter Arten vollumfänglich den wissenschaftlichen Empfehlungen folgen und damit eine langfristige Bestandserholung zu ermöglichen. Ebenso fordert der BUND strukturreiche Habitate wie Seegraswiesen und Steinriffe, wo Fische wie der Kabeljau sich wohlfühlen, zu bewahren bzw. neu zu schaffen. Und jeder von uns sollte sich beim Einkauf überlegen, ob es wirklich ein Genuss ist, das Aussterben nicht nur des Dorschs zu unterstützen, sondern auch die Bedrohung anderer Meeresbewohner, die wir ihrer Nahrung berauben.