Die Buche Yündrüll
Text: Marion Hartmannn
13.11.2013
Wie schon so oft zog es mich im Jahre 2011 mit meinem Hund "Sammy" in den nahegelegenen Auwald.
Es war ein warmer Tag im späten Frühling und wir durchstreiften mit Stullenbeutel und Hundeleckerlies den Naherholungspark am Auensee, um von dort in den angrenzenden Leipziger Auwald einzubiegen.
Der Auensee selbst war eine ehemalige Kiesgrube, auf deren Inhalt nun der Leipziger Hauptbahnhof steht.
Schnell hatte man nach der Förderung des Kieses und der Flutung der Grube erkannt, daß hier allein schon durch die Wegelegung wie weiträumige Baumfällung infolge der Kiesförderung ein kirmesähnliches Treiben für hohe Einnahmen sorgen könnte.
Die Umsetzung der Idee folgte bald darauf, es entstanden Bier- und Bratwurstbuden; Karussell`s; Belustigungen aller Art und eine breite Befahrung des Auensee`s durch Ruderboote und einen Dampfer.
Auch Badegelegenheit wurde geschaffen, Umkleideräume und Imbissbuden aufgestellt.
Auch eine große Gaststätte fehlte nicht mit weiträumigen Freisitzen, Tanzabende an Wochenenden bis in die Nacht hinein.
Die Umgebung wurde getauft auf den Namen "Lunapark!"
Heute träumt das Auensee- Gebiet recht einsam vor sich hin und leidet ans einen Zerstörungen.
Nur die kleine Parkeisenbahn durchtuckert den Park mit ihrer Kinderlast in den offenen Hängern heute noch, die kleine Dampflok ist ein Erlebnis!
So stand ich nun wieder vor einer der weiträumigen Rasenflächen mit der herrlichen Buche, die stolz und einsam für alle Besucher ein Anziehungspunkt ist.
Während mein Hund die Schnitten futterte, die ich eigentlich für einen ganzen Wandertag als Proviant eingepackt hatte, dachte ich nach, was wohl der Grund sei für das Amt Stadtgrün Leipzig, mehr als nötig sämtliche Wiesen abzumähen. Eigentlich müßte man doch an der Vielfalt aller nektarsammelnden Völkchen des Tierreichs interessiert sein.
Wieder fiel mein Blick auf die herrliche Buche und ich versank in Träume von unberührter Natur, vom Einklang des Menschen mit seiner Umgebung.
Sehnsüchtig starrte mein Hund auf seinen Ball, doch ich konnte den Blick nicht vom stattlichsten Baum des ganzen Parks abwenden.
Nun aber wollte ich weitergehen, hin zum Auwald, dessen reichhaltiges Angebot von Bärlauch ich jedes Jahr zu schätzen weiß und jene denkerische Einsamkeit, die mir eine Notwendigkeit in meinem Leben ist.
Wie hat er doch schon meine, an der Welt krankende Seele zu heilen gewußt.
Aus so manchem alten Baumstamm schälten sich geisterhafte Gestalten heraus, die ich zeichnete, so gut ich vermochte. Jeder einzelne Pilz, jeder Waldvogel waren mir eine heimliche Freude.
Ich drehte mich um, nahm den Hund und ging, wobei meine Gedanken kreisten um den großen Verdi, der doch seinen Gartenbäumen einen Namen gab.
Wie würde die Buche heißen wollen, so überlegte ich! Lächelnd ging ich weiter, als ich plötzlich eine Stimme vernahm. "Halt! Kehr um!" Es war die Stimme der Intuition. Langsam lief ich zurück, ohne zu wissen, warum.
So stand ich erneut vor der Buche, als es in mir sprach: "Ich heiße Yündrüll!"
Sollte ich jetzt verwundert sein oder erschrocken? Yündrüll! Was ist das?
Ich stand noch ein Weilchen vor jenem Baum, der mir wie ein Wesen schien, beseelt und unerkannt vom Menschen.
Yündrüll! Eigenartig! Ich lief weiter!
Als ich ein Stück gegangen war, rief mir eine Stimme nach: "Yündrüll.., das heißt BAUMKATHEDRALE!"
Zu Hause forschte ich alles durch, ich fand in keiner Sprache jenes Wort!
Betina Lehmann (Sonntag, 22 Dezember 2013 21:41)
Liebe Marion.
Bäume sind die größten und friedlichsten Lebewesen der Erde. Sie sind beseelt, sie sind tiefer Gefühle fähig, sie
mögen uns und geben uns was sie können. Sie werden von den meisten Menschen nicht erkannt und bedenkenlos ermordet, wenn sie im Weg stehen oder Arbeit machen oder ihr Holz verkauft werden soll.
Es reicht nicht, einen neuen, kleinen Baum zu pflanzen, er wird nie der alte werden. Bäume wollen von den Menschen geliebt werden. Wer von Herzen einen Baum umarmen kann und innehält, kann spüren, wie dieser ihm seine Kraft spendet.
Ich schreibe dies, weil Du es verstehst und die Liebe zu diesen wundervollen Wesen teilst.
Eine schöne Geschichte ist das. Vielen Dank dafür und frohe Weihnachten (ohne einen geschlagenen Baum). Betina.
christine (Montag, 02 Dezember 2013 15:16)
Eine schöne, besinnliche Geschichte hast du geschrieben, liebe Marion,; sie kommt wir gerufen, wenn es draußen unwirtlich ist...
Unsere Gedanken können dann wandern :)
Ist das dein Sammy, den Erika so hübsch gefertigt hat?
Eva Schmelzer (Sonntag, 01 Dezember 2013 12:41)
Was für eine schöne Geschichte mit einem so mystischen Ende... "Yündrüll" hört sich altnordisch an, ähnlich wie Yggdrasil, die Weltesche, die in der nordischen Mythologie als Weltenbaum den gesamten Kosmos verkörpert. Vielleicht ist mit "Yündrüll" etwas tief in Dir sitzendes Archetypisches aus Urzeiten wachgerufen worden? Aus einer Zeit, als es noch keine von Menschen gebauten Kathedralen gab, sondern die Wälder diese heiligen Stätten bildeten.
Und auch wieder ein Dank an Erika für den "Sammy im Bärlauch".
Erika Bulow-Osborne (Sonntag, 01 Dezember 2013 12:07)
Der Auensee und der Auwald sind Oasen fuer Menschen aus Leipzig. Marion Hartmann hat das intuitive Gespuer fuer Besonderheiten. So auch bei einer sehr alten, schoenen Buche.
Ausgewaehlte Buchen erhalten in Deutschland wirklich einen Namen.Diese Buche gibt ihren eigenen Namen preis. Ob Jemand dessen Bedeutung finden wird, ist weniger wichtig
Die Verbundenheit von Mensch und Natur ist hier in dieser kleinen Geschichte noch gewaehrleistet.